Last Exit
Fettsack ist einsam. Ich meine, seinen Untergebenen kann er eigentlich nicht trauen, und vor seinen Vorgesetzten hat er Angst. Also betreibt er seine Intrigen ganz allein.«
»Das hat er zu dir gesagt?«
»Ich bin ein guter Menschenkenner.«
»Doch von seinen Intrigen hat er dir erzählt.«
»Ein bisschen, ja. Aber erst gegen Ende des Abends, als er so richtig dicht war, ist er mit dieser Sache angekommen, die deinen Freund so aufgeregt hat. Mit dem Maulwurf, den er in der amerikanischen Geheimabteilung Tourismus sitzen hat.«
»Darüber würde ich gern mehr erfahren.«
»Klar.« Zubenko hob sein Glas und trank es leer. »Zuerst hab ich es ihm nicht abgenommen und zu ihm gesagt, dass er das nur erfunden hat, um mich zu beeindrucken. Ich meine, Abteilung Tourismus – was soll denn das für ein Name sein? Aber er hat mir sofort Details genannt. Die Verwaltung der Abteilung Tourismus ist in sieben Sachbereiche gegliedert. Ein Leiter und neun Reiseberater für jeden Bereich. « Er grinste. »Da hab ich ihn unterbrochen: Reiseberater? Er hat mir erklärt, dass das Sachbearbeiter sind. Sie sammeln Informationen von den Außendienstmitarbeitern, die Touristen genannt werden. Über die ganze Welt verteilt gibt es dreiundsechzig von diesen Touristen.«
Dreiundsechzig – nicht einmal Milo kannte diese Zahl. Drummond konnte sie später verifizieren.
»Er sagt, die Abteilung Tourismus ist das schmutzigste Instrument in der fiesen amerikanischen Geheimdienstmaschinerie. «
»Und in dieser Geheimabteilung will er einen Maulwurf haben?«
Zubenko nickte und streckte das leere Glas vor.
Milo schenkte ihm nach. »Hat er auch Beweise dafür vorgelegt?«
»Also, ich hab Erfahrung in solchen Sachen. Ich kann ganz gut abschätzen, was wahr ist und was nicht.«
»Klar.«
»Und bei diesem fetten Scheißer dachte ich mir, am besten, ich mach mir seine Eitelkeit zunutze. Also hab ich ihn ausgelacht. Niemand, hab ich gesagt, kommt auf die Idee, eine Geheimabteilung mit so einem Namen zu betreiben, und schon gar nicht die Amerikaner. Die würden so was Alpha Bravo nennen. Oder Operation Freier Adler. So was in der Richtung. Zu dem Zeitpunkt hatten wir Mädels bei uns – deshalb haben wir Englisch gesprochen – , und auf Russisch hab ich zu den Mädels gesagt, dass er ein dicker, fetter Lügner ist. Verstehst du, warum? Ich hab ihn bei seiner Ehre als Mann gepackt, um die Beweise von ihm zu kriegen.«
»Ziemlich schlau«, erwiderte Milo. »Und darauf ist er dann eingestiegen?«
»Und wie. Erst hat er mich schwören lassen, dass ich schweige – kein Wort zu irgendwem. Dann hat er mir von einer Operation der Abteilung Tourismus im Sudan erzählt. Sie hatte den Zweck, den Chinesen den Ölhahn zuzudrehen. Das war letzten Juli, und mittendrin – stell dir das mal vor – steckte der Tiger.«
»Der Tiger?« Milo gab sich unwissend.
»Komm schon, du kennst doch diesen berühmten Killer. Der, der vor einiger Zeit den französischen Außenminister umgelegt hat. Im Auftrag der CIA.« Zubenko schüttelte den Kopf. »Das war das Erste, womit Zhu rausgerückt ist, und ich hatte natürlich Zweifel, aber dann hat er mir die ganze Geschichte erzählt, und zwar haarklein.«
»Und das machst du jetzt auch bitte.«
In der nächsten Stunde berichtete ihm Zubenko, woran er sich erinnerte. Er erzählte es wie eine Geschichte, die man in jüngster Zeit schon des Öfteren zum Besten gegeben hat: mit falschen Fährten und Nebenfiguren,
aber ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren. Er begann mit dem Auftragskiller Benjamin Harris, Beiname ›der Tiger‹, der sich einem Mitarbeiter der Abteilung namens Milo Weaver ergab mit der Botschaft: Jemand hat mich mit dem HIV-Virus infiziert, und ich will ihn aufsp üren. »Aber das hätte nicht gereicht. Nicht für einen Company-Agenten und schon gar nicht für einen aus dieser geheimen Scheißabteilung.« Zubenko hatte recht. Es hatte nicht gereicht, um Milo in Bewegung zu setzen. Dazu war mehr nötig gewesen: Erst der plötzliche Tod seiner alten Weggefährtin Angela Yates und dessen Verbindung zum Tiger hatten ihn zum Handeln bewogen. Zubenko sog gierig an seiner Marlboro. »Die Menschen sind alle gleich, überall. Sie brauchen einen persönlichen Grund, um den Arsch hochzukriegen.«
Er schilderte, dass Milo fliehen musste, weil eine Agentin des Heimatschutzministeriums glaubte, er sei für Angelas Tod verantwortlich. »Aus Disney World ist er abgehauen – nicht zu fassen! War mit seiner
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