Last Exit
Alten und seinem Kind dort. Tina, so heißt seine Frau. Und der Name der Tochter ist Stephanie. Er musste sie zurücklassen und untertauchen. «
Auch über die anderen Akteure war Zubenko bestens im Bilde: der Tourist James Einner, der russische Geschäftsmann Roman Ugrimow, Diane Morel vom französischen Geheimdienst und der Tourist Kevin Tripplehorn, den Milo getötet hatte und der noch unter vielen anderen Namen lief. Er wusste, dass all das im Zusammenhang stand mit dem Versuch, den Sudan zu destabilisieren: durch den Mord an einem radikalen Geistlichen, der den Chinesen in die Schuhe geschoben werden sollte, um ihre Ölinteressen in der Region zu torpedieren. Zhu gab Zubenko zu verstehen, dass der Mord an sich nicht so wesentlich
war – der Mullah war allen ein Dorn im Auge gewesen –, sondern dass die folgenden Unruhen das eigentliche Verbrechen waren. Sechsundachtzig ist die offizielle Zahl der Opfer, aber es waren noch mehr. Unschuldige haben ihr Leben verloren. Sogar einige von uns, die auf den Ölfeldern gearbeitet haben. Das war einfach rücksichtslos.
Darüber hinaus war Zhu bekannt, dass der Plan von Thomas Grainger, dem inzwischen verstorbenen Leiter der Abteilung Tourismus, und dem ebenfalls verstorbenen Terence Fitzhugh stammte. Beide hatten auf Anweisung des Senators Nathan Irwin aus Minnesota gehandelt.
»Wirklich ein schlimmer Monat. Versteh mich nicht falsch – schlimme Monate gibt’s bei uns auch, aber bei der CIA erwartet man ein bisschen weniger Blutvergießen. Ich meine, ihr habt doch kein kleines Budget. Da sollten unterm Strich auch nicht so viele Leichen rauskommen, oder?«
»Stimmt.« Aus Milos Gliedern war jede Empfindung gewichen. Der Mann wusste alles.
»Aber eins konnte sich Zhu nicht erklären, und das hat ihn gewurmt. Dieser Weaver. Er hat die ganze Sache aufgedeckt, und deswegen waren alle hinter ihm her. Der Heimatschutz hat ihn wegen Mordes gesucht. Die Company wollte ihn aus dem Verkehr ziehen, damit die Geschichte nicht rauskommt. Aber dieser Mann , so Zhu wörtlich, lebt immer noch, als wäre nichts passiert. Das hat ihn wirklich verwirrt. Er sagt, Weaver war zwei Monate im Gefängnis, und seine Ehe ist zerbrochen, aber er hat es überstanden. Und jetzt atmet und lebt er nicht nur, nein, er ist sogar wieder für seinen früheren Arbeitgeber tätig. Zhu hätte brennend interessiert, wie der das geschafft hat. Und weißt du, was ich ihm geantwortet habe?«
»Nein«, sagte Milo, »aber ich bin gespannt.«
»Ich hab ihm gesagt, dass dieser Weaver natürlich mit den Bösen zusammengearbeitet hat. Weil am Schluss immer nur die Bösen überleben. Zhu fand das ziemlich witzig.«
In Wahrheit hatte Jewgeni Primakow Milo das Leben gerettet, und es fuhr ihm durch den Sinn, dass es nur eine Frage der Perspektive war, ob sein Vater zu den Guten oder Bösen gehörte.
Er hatte die Schnauze voll. Nicht nur, weil die Chinesen über neunzig Prozent der Ereignisse vom letzten Jahr Bescheid wussten, sondern auch, weil Zubenkos eindringliche Schilderung all die Gefühle von Verwirrung, Zorn und Verzweiflung in ihm wiederauferstehen ließen. Er stand auf und hielt dem Ukrainer die Hand hin. »Danke, Marko. Du warst eine große Hilfe.«
»Bringt ihr mich jetzt nach Wisconsin?«
»Wisconsin?«
»Ich hab einen Cousin, der zwei Jahre dort gewohnt hat. Der schönste Ort der Erde. Und auch die besten Frauen.«
»Das war mir noch gar nicht klar«, antwortete Milo. »Wir sehen, was sich machen lässt. Brauchst du sonst noch was?«
Zubenkos Blick wanderte zum vollen Aschenbecher und zur Wodkaflasche. »Noch eine Schachtel. Vielleicht ein bisschen Tonic zum Mischen – mir tut schon der Magen weh.«
»Was zum Essen wäre wohl besser.«
»Tonic reicht.« Er griff nach der Fernbedienung. »Ziemlich gut, übrigens.«
»Was?«
»Dein Russisch. Nicht dieser Lehrbuchquatsch, den die meisten Leute von der Company sprechen.«
»Danke.«
Zubenko schaltete den Fernseher ein. »Poka.«
»Poka, Marko.« Auch Milo benutzte den Abschiedsgruß. Beim Schließen der Tür hörte er, wie die Gastgeberin einer deutschen Talkshow mit tiefernster Stimme fragte: »Du meinst, nach allem, was er getan hat, hast du wieder mit ihm geschlafen?« Das Studiopublikum äußerte sein Missfallen mit einem volltönenden Buuhh .
9
Drummond kam die Treppe herab. »Und?«
»Es passt alles.«
Sie traten auf die dunkle Veranda und setzten sich dem kalten, böigen Wind aus. In der Ferne hob sich vor den Scheinwerfern
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