Last Exit
klemmt, nur um ihn schreien zu hören.« Er schniefte. »Was war denn das für eine Abteilung vor meiner Zeit?«
»So genau wollen Sie das gar nicht wissen.« Milo nahm eine Dose aus der Tasche und würgte trocken zwei Dexedrin hinunter.
8
Trotz des deutlichen Bauchansatzes und des schütteren schwarzen Haars sah Marko Zubenko für seine sechsundvierzig Jahre ziemlich jung aus. Er trug ein Kunstseidenhemd mit hochgerollten Ärmeln, und der offene Kragen enthüllte ein im Brusthaar vergrabenes orthodoxes Kreuz. Kettenrauchend verfolgte er die deutsche Ausgabe von Big Brother. Das einzige Anzeichen von Alter waren die grauen Stoppeln an seinem Kinn.
Milo trat mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. »Guten Abend. Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
Der Händedruck war heiß und trocken. Statt einer Antwort wedelte Zubenko mit einer glühenden Marlboro Richtung Bildschirm. »Klasse Sendung, oder?«
Die hoch in einer Ecke hängende Kamera verfolgte zwei hübsche Twens, die miteinander stritten. »Bin nie dazu gekommen, sie anzuschauen.«
»Klasse Sendung«, wiederholte Zubenko. »Ich bin für Melly. Mit der gehe ich sofort ins Bett.«
»Marko?«
»Ja?« Sein Blick hing am Fernseher.
Milo griff nach der Fernbedienung und schaltete ihn aus.
Zubenko rieb sich die Augen mit den Handballen. »Mistkerl. Ich hab schon beantwortet eure Scheißfragen. Zwanzigmal schon!«
Milo unterdrückte den Impuls, ihm eine zu verpassen, und wechselte ins Russische. »Und du wirst die Fragen weiter beantworten, sonst verprügeln wir dich, vergewaltigen dich und setzen dich nackt im ungemütlichsten Teil von Mogadischu aus.«
Markos Kopf fuhr zurück wie nach einer Ohrfeige. Dann drückte er lächelnd seine Zigarette aus. »Endlich jemand, der richtig Russisch spricht. Willst du eine?« Er hielt die Packung hoch.
Milo zog seine Davidoffs vor, aber er wusste, wie wichtig das gemeinsame Rauchen für Slawen war, um Freundschaft zu schließen. Er zückte ein Feuerzeug und zündete erst Markos, dann seine Zigarette an.
Er ließ sich auf einem Stuhl nieder, den er von den Streifzügen mit Tina durch IKEA wiedererkannte. Dann erkannte er auch das Sofa, auf dem Zubenko saß. Tatsächlich war die ganze Etage dieses einstöckigen Bauernhofs außerhalb von Frauenfeld mit den funktionalen Möbeln des schwedischen Unternehmens ausgestattet. Um das Haus herum erstreckten sich mehrere Hektar flaches Feld, das völlig leer war bis auf vier Company-Posten mit Infrarotferngläsern. Oben verfolgte Drummond die Vernehmung in einem Kabuff über Videomonitore. Am Morgen würde ihm eine Transkription der gesamten Unterhaltung mit englischer Übersetzung vorliegen.
»Also, Marko. Wie ich höre, hast du eine Geschichte über die Chinesen für uns.«
Mit einem Achselzucken starrte der Ukrainer auf den schwarzen Fernseher. »Haben sie dir nichts über die heißen Informationen aus Kiew erzählt? Klar, das mit den Chinesen ist interessant, aber das Kiewskaja Rus sollte euch wirklich Sorgen machen.«
»Wir machen uns Sorgen, glaub mir. Aber ich bin wegen
der Chinesen hier. Willst du mir erzählen, wie einer wie du von einem chinesischen Geheimplan erfährt?«
Zubenko funkelte ihn an, wie um auszudrücken, dass niemand seine Worte in Zweifel ziehen durfte. »Der größte Nachrichtendienst der Welt, was meinst du denn? Guoanbu. Sind in ganz Kiew inzwischen, die Scheißer. Das reinste Chinatown. Die wissen, wie wichtig wir sind mit unserer Position. Die Russenärsche auf der einen Seite, die Europäische Union auf der anderen – der Punkt, wo sich alle berühren.«
»Reibung.«
»Genau.« Mit seiner Zigarette deutete er auf Milo. »Versteh mich nicht falsch, ich hab Respekt vor ihnen. Die geben Geld für ihre Leute aus, schicken sie in die ganze Welt. Die sind schlau. Aber deswegen muss ich es nicht mögen, wenn sie in meine Heimatstadt einfallen und meine Chefs sie behandeln wie Prinzessinnen, auf die sie scharf sind. Weißt du, was ich meine?«
Eigentlich konnte Milo das nicht behaupten – er war zuletzt in den neunziger Jahren in der Ukraine gewesen, und damals hatte der Guoanbu dort noch nicht Fuß gefasst. »Was mich überrascht, ist, dass die Chinesen ihre Geheimnisse einem ukrainischen Leutnant mitteilen.«
»So war das auch nicht«, antwortete Zubenko. »Es war bei einer Party. An der Gruschewskogo-Straße.«
»In der chinesischen Botschaft.«
»Natürlich.«
»Warum?«
»Was, warum?«
»Warum wurde die Party gegeben?«
»Ach
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