Last Exit
gestürmt und in Brand gesteckt.
Als er mit der Schlange näher kam, konnte er die Stimme des Sprechers hören, der erklärte, dass die Ausschreitungen die Reaktion darauf waren, dass Präsident Bush in Daressalam die Unabhängigkeit Kosovos anerkannt hatte. Auch ein Schild war zu sehen: KOCOBO JE CRБIA:
Kosovo ist Serbien. Ein Demonstrant war tot im Gebäude entdeckt worden, überrascht vom Rauch des Feuers, das er gelegt hatte. Milo hoffte, dass es Radovan und seiner Mutter gutging.
Er schritt durch den Metalldetektor und erhielt seine Schuhe und das zerlegte Handy (das von dem Mann am Röntgenapparat besonders misstrauisch untersucht worden war) zurück. Dann setzte er seinen Weg zum internationalen Terminal fort und trank einen Kaffee, um munter zu werden. Er baute das Telefon wieder zusammen, aber niemand rief an, also scrollte er durch die Playlist des iPod. Es war keine beliebige Zusammenstellung aus den siebziger Jahren, wie Tina vermutet hatte, sondern die gesamte Diskografie David Bowies, von dem nach ihm benannten Album aus dem Jahr 1967 bis zu der Veröffentlichung von 2003 mit dem seltsamen Titel Reality. Weil er nicht wusste, wo er anfangen sollte, schaltete er auf Shuffle und flüsterte schon kurz darauf »Modern Love«.
Erst am Flugsteig dämmerte ihm, dass etwas nicht stimmte. Zwei Gesichter schälten sich aus der Menschenmenge. Ein Mann, wahrscheinlich Franzose … oder Albaner? Die widersprüchlichen Nationalitäten schienen gemeinsam in seinen Gesichtszügen beheimatet, als er mit erzwungener Lässigkeit zu Milo zurückschaute. Und die Frau: Sie stand an einer Säule, sprach in ein Handy und blickte durch das Fenster, neben dem Milo stand. Ihr Gesicht wirkte vollkommen amerikanisch auf ihn. Beide hatten kein Gepäck dabei.
Nur zwei Gesichter, aber sie passten nicht hierher. Er sah es an der Art, wie sie mit ihrer Umgebung interagierten. Sie schienen überhaupt nicht interessiert an dem Flugzeug, das zum Gate rollte. Gewissheit bekam er eine halbe Stunde später, als er mit anderen Passagieren in der
Schlange nach vorn zu den Flugbegleitern schlurfte, die die Pässe und Tickets prüften. Milos Stewardess erfasste sein Ticket mit dem Scanner, der ein enttäuschtes Piepen von sich gab. Sie probierte es noch einmal, mit dem gleichen Ergebnis, und verwies ihn an den Schalter, wo ihm mitgeteilt wurde, dass die Maschine leider überbucht war. Der nächste Flug ging in zwei Stunden. War es möglich, dass er so lange wartete?
Milo überlegte, ob er protestieren sollte, doch als er den Mann und die Frau zwischen den leeren Sitzen sah, war es ihm auf einmal egal. Hoffnung konnte wirklich Berge versetzen.
»Klar«, antwortete er, »ich kann zwei Stunden warten.«
Ihr Lächeln signalisierte Dankbarkeit für sein Verständnis.
Als sie seinen neuen Reiseplan ausarbeitete, warf er einen Blick nach hinten. Die Frau lehnte sich gerade vor, um mit dem Mann zu reden. Ihre Jacke öffnete sich kurz und ließ den Griff einer Pistole in einem Schulterhalfter erkennen. Der Mann drehte sich auf seinem Sitz und starrte Milo direkt an. Dann stand er auf. Ende der Vorstellung.
Drummond muss wirklich sauer sein , schoss es Milo durch den Kopf.
»Vergessen Sie die Reservierung«, sagte er zu der Angestellten. »Ich kümmere mich später darum.«
Sie war verblüfft. »Was?«
Er steuerte bereits auf das Paar zu, das ihm auf halbem Weg entgegenkam.
Die Frau richtete das Wort an ihn. »Kommen Sie bitte mit, Mr. Hall.«
Der Frankoalbaner knurrte zustimmend und folgte ihm, während die Frau eine Tür neben einem Laden voller
NYC-Mützen und -Shirts entriegelte und voranschritt in die Geheimgänge des Flughafens.
Im Gegensatz zu vielen Gästen, für die diese Korridore gebaut worden waren, wurde er nicht mit einer Kapuze über dem Kopf hineingestoßen, und dafür war er dankbar. Es ging um so viele Ecken, dass er keine Ahnung hatte, wo er sich befand, als sie ihn schließlich in einem fensterlosen Raum mit einer Gefängnistoilette aus Aluminium absetzten. Dann ließen sie ihn allein, damit er über seine Fehler nachgrübeln konnte. Es waren so viele, dass er nicht wusste, wo er anfangen sollte. Also dachte er an Tina, was ihn aber unweigerlich zurück zu seinen Fehlern und zu Dr. Ray brachte, von der die Ehe nun abhing. Die Wahrheit, die Tina nicht wissen konnte, war, dass diese Sitzungen nie funktionieren würden, solange Milo seine Unaufrichtigkeit nicht aufgab.
Diese bestand nicht aus offenen Lügen, sondern aus
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