Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
Vielleicht haben Sie davon gelesen; es handelt sich um die Frau, die in der Balthasar-NeumannStraße überfahren wurde und dabei zu Tode kam.» «Ich entsinne mich. Aber da kann ich ja nun nicht mehr helfen, lieber Kommissar!» Der Prälat vermochte noch nicht so recht einzuschätzen, ob der Besuch des Kommissars kirchlich relevant werden würde.
«Wir haben Hinweise, daß die Frau gestoßen wurde. Eine Zeugenaussage. Zusätzlich muß ich sagen, daß die Spuren aufgrund einiger Verdachtsmomente, wie ich bereits angedeutet habe, in den Bereich der Universität führen, und zwar zu Professor Konrad, mit dem das Opfer möglicherweise ein heimliches Verhältnis unterhalten hat.» «Wie ist denn der Name der Frau?» Nun war Glöcklein plötzlich ernst und sachlich geworden. Fast selbst wie ein verhörender Beamter, der einen neuen Akt anlegt und Papier und Stift gezückt hat, um sich «Aktennotizen» zu machen. «Franziska Ruhland.»
«Woraus entnehmen Sie, daß diese Frau ein Verhältnis mit einem Priester gehabt haben soll? Und wie soll dieses sogenannte Verhältnis ausgesehen haben?»
«Ihnen war also von dem Verhältnis nichts bekannt?» Glaser beantwortete Fragen gerne mit Gegenfragen. «Wir haben davon nichts gewußt. Und ich würde Ihnen übrigens nicht viel mehr dazu mitteilen dürfen. Wir werden nicht einen unserer Priester aufgrund irgendeines vagen Verdachts vor der Polizei gleichsam bloßstellen.» Glöckleins Ton wurde immer kälter.
«Dann kann ich also bei keiner Kirchenbehörde mit Auskünften über Herrn Professor Konrad rechnen?» «Wie ich gesagt habe.»
«Bei einem Mordfall kann das Gericht allerdings die Beschlagnahme Ihrer Akten anordnen.» So hoffte der Kommissar zumindest.
«Hören Sie, Herr Kommissar, das ist ja wohl so noch nicht vorgekommen! Die Kirche hat sich immer mit den höchsten Staatsorganen – mit den höchsten, sage ich! – arrangiert. Wir werden freilich zusehen, daß sich alles bis auf weiteres auf dieser unteren, informellen Ebene bewegen kann.» Glöcklein wählte zwar starke Worte, wünschte insgeheim aber, nicht mit Taten dafür einstehen zu müssen. Das konnte nur Ungelegenheiten bedeuten.
«Dann müssen Sie mir mehr Informationen geben, Herr Prälat. Zum Beispiel darüber, wie es in der Kirche gehandhabt wird, wenn ein Geistlicher ein Verhältnis hat.» «Dazu kann ich mich nun gerne äußern, wenn Sie mir versichern, daß nichts an die Öffentlichkeit kommt.» «Ich werde nur das Notwendigste in die Ermittlungsakten aufnehmen.»
«Sie wissen ja», sagte Prälat Glöcklein, «wie so etwas dann in der Journaille dargestellt wird; das erfolgt bekanntlich ohne jeden moralischen Maßstab. Das Ziel ist immer nur die sensationelle Entblößung einer Persönlichkeit oder einer Institution wie unserer Kirche – welche höheren Werte man dabei destruiert, das wird nicht bedacht.Wieviel menschliches Leid hilft gerade Professor Konrad lindern, als Professor für Christliche Soziallehre! Man sollte ihn nicht verleumden.»
«Dann müßte gerade er daran interessiert sein, daß ein Mord aufgeklärt wird, bei dem er übrigens zum Kreis der Verdächtigen zählt.» Mit diesen verflixten moralischen Fragen war dem Kommissar schon Philipp Laubmann immer wieder gekommen. Er hatte deshalb Erfahrung, wie man die Sache wieder auf den konkreten kriminalistischen Punkt zurückbrachte.
«… zu den Verdächtigen?» Der Prälat schien überrascht, er betonte jede Silbe. Anschließend fuhr er in alter Sprechgeschwindigkeit fort: «Dann braucht er aber rechtliche Beratung. Ich kann Ihnen nur allgemein erläutern, wie sich die Kirche zu solchen Verhältnissen von Geistlichen stellt.» «Ja, bitte! Wie?»
«Also, auf jeden Fall ist das eine Aufgabe der Diözesanleitung. Es gibt manches Verhältnis dieser Art – auf diese Aussage können Sie sich aber nicht berufen! –, von dem die Diözese weiß. Eigentlich», doch das war mehr Glöckleins private Sicht, «möchte die Kirchenbehörde am liebsten gar nichts davon wissen, denn erstens ist jeder Priester seinem Gewissen verpflichtet und muß so etwas mit seinem Beichtvater ausmachen, der zweitens darüber Stillschweigen zu bewahren hat. Ein Priester ist jedoch ebenso gegenüber der Diözese und seiner Beauftragung verpflichtet. Uns obliegt die Aufsicht darüber, und wir dürfen letztlich nicht tatenlos zusehen, wenn ein Priester der Würde seines Amtes Schaden zufügt und sein Versprechen bricht. Insgesamt ist solch ein Vorfall zwar nur
Weitere Kostenlose Bücher