Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
ihr aus. Leider ist sie wieder in Neuseeland, seit Monaten.»
Der Rotwein wurde bereits gebracht, denn wochentags waren nie viele Gäste im Lokal. Philipp orderte gleich ein zweites Glas des Spitalweins, obwohl er das erste noch gar nicht vollständig geleert hatte. Sie nippte an ihrem Wein, um ihn zu probieren.
«Die Zeiten ändern sich, wenn auch nicht immer zum Besseren für uns.» Laubmann hatte sich von der bedrückenden Atmosphäre des Parks nicht freimachen können. «Ich denke an Frau Ruhland, obgleich ich sie nicht gekannt habe. Auf dem Weg hierher war ich an der Unglücksstelle; und ich muß zugeben, mir sind die Fragen abhanden gekommen, geschweige denn, daß ich Antworten wüßte. Aber damit rühre ich an eine Grundverfaßtheit menschlichen Lebens überhaupt.»
«Ja, das ist eine schlimme Geschichte», stimmte ihm Almut Werner zu, unsicher, ob sich sein letzter Satz darauf bezog. «Daß sie jemand ermordet haben soll, so eine sensible Frau. Das hat mich schon mitgenommen, obwohl ich ihr nicht mehr nahegestanden habe. Sie wissen, daß sie mit Elisabeth eng befreundet war?» Almut Werner bot Laubmann eine Zigarette an, die er dankend ablehnte. Sie zündete sich eine an, was Laubmann nicht störte, zumal sie nicht der einzige Gast war, der rauchte.
«Woher kennen Sie Franziska Ruhland?» fragte er. «Franziska, Elisabeth und ich waren zusammen in einer Klasse in der Mädchenschule im Vorderen Bach. Deshalb haben sie uns Bach-Gänse genannt.» Sie schmunzelte, und Philipp ging gleichfalls schmunzelnd davon aus, daß alle drei «Gänse» gleichaltrig waren, 37 also. Rechtzeitig fiel ihm ein, nicht nach Almuts Alter zu fragen. «Franziska hat sich immer besser mit Lisa verstanden als mit mir. Später sowieso. Ich hab geheiratet und bin so richtig bürgerlich geblieben, was ich nicht bereue. Franziska und Elisabeth haben nie geheiratet. Sie wollten ungebundener sein. Franziska hat sich immer gern mit Männern eingelassen, die in der Gesellschaft etwas darstellen. Elisabeth ist da allerdings zurückhaltender; ihr ist die Wissenschaft wichtiger.» Das imponierte Laubmann. «Was macht sie?» «Lisa ist Ethnologin.»
Die Bedienung brachte Philipp den bestellten Wein und nahm das inzwischen geleerte Glas mit. «Hatte Franziska Ruhland nicht vor, Professor Konrad zu heiraten?» «Das hat sie Elisabeth gegenüber angedeutet.» Almut Werner wirkte nachdenklich. «Ob es Franziska damit ernst war, kann ich nicht beantworten.» «Es war noch geheim.»
«Sie hatte keine Geheimnisse vor Elisabeth – und Elisabeth hat keine vor mir. Aber, wo Sie's erwähnen: Professor Konrad, der Ihretwegen mit mir telefoniert hat – übrigens zum ersten Mal –, hat mir das von der Heirat gesagt. Es war mir auch neu, daß Franziska mich noch besonders geschätzt haben soll. Das hab ich ebenfalls von ihm erfahren. Trotzdem waren wir in vielem zu unterschiedlich.» Almut trank von ihrem Wein. «Ich rauche zum Beispiel. Franziska hat nicht geraucht; vielleicht mal eine Zigarette gepafft. Ich hab immer geraucht, nur nicht während meiner Schwangerschaft. Lisa raucht auch nicht. Und Sie?»
«Ab und zu eine Zigarre, des Geschmacks wegen.» Das paßt zu einem Pfarrer, dachte Almut; was hat der sonst für ein Vergnügen. Sie hielt Dr. Laubmann für einen Geistlichen, hatte ihr doch niemand mitgeteilt, daß er nur Theologe war. Er hatte ihrer Ansicht nach eine priesterliche Ausstrahlung, so etwas Gütiges. Zudem trug er den schwarzen wollenen Pullover, den seine Cousine ihm verpaßt hatte.
«Ich denke, wenn Sie mehr über Franziska wissen wollen, ist meine Cousine Elisabeth die bessere Adresse. Elisabeth Werner.»
«Derselbe Nachname?»
«Sie sieht mir sogar ähnlich.»
Philipp merkte, daß ihn Elisabeth zu interessieren begann; Neuseeland, die Ethnologie, und jetzt ihre schwarzen Locken. Er bat Almut Werner, ein wenig mehr über sich und ihre Cousine zu erzählen.
«Ich weiß nicht, ob das so spannend ist. Mein Vater war ein ganz normaler Angestellter bei einer Landmaschinenfirma. Er hat im Büro gearbeitet, meistens, sonst war er unterwegs und hat mit Bauern verhandelt und mit anderen Geschäftsleuten aus der Branche. Er mußte sich mit allen verstehen, da gab's gar nichts anderes. Meine Familie hat immer in bestimmten Grenzen gelebt, gesellschaftlich, mußte mit allen gut auskommen, nichts Besonderes. Und ich? In die Schule gehen, Hauswirtschaft lernen, dann einen Mann finden, heiraten und Kinder, das war alles ganz klar – und so
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