Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
würden Theologen nichts anderes reden und nur über lateinische Witze lachen. Noch vor wenigen Tagen hatte sie zwei bis über die Gurgel zugeknöpfte Exemplare beobachtet, von denen eines einen lateinischen Satz von sich gab und das andere belustigt darüber aufschrie.
Josef Maria ließ sich von Irene die Bibliothek zeigen, die in dem Zimmer mit dem nicht einmal unsorgfältig gedeckten Eßtisch begann, sich über einen angrenzenden höheren und größeren Raum erstreckte, seitlich in ein enges Gemach mündete und nirgends so recht aufhörte. Aus allen Ecken der verwinkelten Dachwohnung quollen Bücher und versperrten die Durchgänge. Sogar in Bad und Toilette erhoben sich vom Fußboden oder auf Regalen Stöße von Fachzeitschriften. Viele der Bücherstapel in den Zimmern drohten umzufallen. Es waren immerfort fragile Gebilde, da Philipp Laubmann ständig Bücher zu momentan ihn bewegenden Gedankengängen suchte und häufig eines der untersten Bücher eines Stapels zu benötigen glaubte. Neben bibliophilen Ausgaben und neben der moraltheologischen und der allgemeinen theologischen Literatur bestand seine Bibliothek aus älteren und neueren Lexika-Reihen. Es war ihm eben ein Anliegen, irgendwie alles, über das er so nachdachte, bis ins letzte zu überprüfen und nachzuweisen. Als müßte er befürchten, dabei ertappt zu werden, eine Behauptung nicht untermauern und eine an ihn gerichtete Frage nicht beantworten zu können. Wirkliche Büchermenschen wie er, darüber war er sich im klaren, stellten freilich eine winzige Minderheit dar.
Letztlich las Philipp alles und verschlang viele der Bücher mit dem gleichen Appetit wie ein richtiger Bücherwurm; auch wenn bei ihm die Leidenschaft für das Wissen dahinterstand und nicht wie bei der Larve des Gemeinen Nagekäfers die zum Überleben notwendige Lust auf Papier und Leim, also auf abgestorbene Pflanzen- und Tierreste. Laubmann hatte sich seit langem schon die Freiheit genommen, völlig quer durch Sachbuchthemen, Belletristik und Hochgeistiges zu streifen. Er kannte da keine Hemmungen und versorgte sich sogar auf Flohmärkten und aus Kaufhauswühltischen mit oft zerlesenen oder remittierten Abenteuerromanen, nach denen er in seriösen Buchhandlungen niemals gefragt hätte.
Heute hatte er Rücksicht genommen – auf die vermutete geistige Enge seines Besuchers. Er wollte Josef Maria nicht durch die Buchinhalte seiner Bibliothek verschrecken und wütend machen. Philipp hatte aus diesem Grund extra theologische Prachtbände breit vor die Buchrücken gestellt, daß es aussah, als würde er damit wechselnde Ausstellungen in seiner eigenen Wohnung veranstalten. Die Karteikarten auf dem Schreibtisch schienen geordnet, die hölzernen Karteikästen standen geschlossen daneben. Philipp hatte außerdem an diesem kühlen Novemberabend die Heizung angestellt, obwohl er ansonsten, auch aus Sparsamkeit, gerne die Kälte spürte.
Seine Teufelchen-Sammlung allerdings, die sich irgendwann einmal in seine Wohnung «eingeschlichen» hatte, verbarg er nicht vor Hüttenberger. Im Regal für die dogmatische Abteilung war dereinst noch Platz gewesen, den nun Weinetiketten mit Teufelsbildern, Stoffteufelchen, ein übergroßer Holzteufel, Teufelanhänger und ein Teufelstempel einnahmen. Dazu kamen Teufelchen aus Plastik, Wolle und anderen Materialien. Auch schlummerten mehrere Springteufel in ihren Kästen.
Wie es zu dieser Ansammlung gekommen war, wurde Laubmann manchmal gefragt. Zunächst hatte er an dem einen oder anderen Stück Gefallen gefunden, und seitdem wurden ihm von Freunden, Bekannten und Kollegen, die seine ersten Teufelchen gesehen hatten, immer mal wieder neue Exemplare mitgebracht.
Und Philipp Laubmann hatte aufgepaßt. Kurz bevor seine Cousine ihren neuen Bekannten, Josef Maria Hüttenberger, zum Kleiderschrank zwischen den Bücherwänden in Philipps Schlafzimmer führen konnte, hatte er eine CD von Marlene Dietrich eingelegt, um seinen Kollegen nun doch ein wenig zu provozieren und seine Cousine abzulenken, und holte beide zurück, um das Essen zu servieren. Er hatte kein Bedürfnis, einem Fanatiker dumme Antworten auf dessen dumme Fragen nach seinen ein oder zwei Meßgewändern im Schrank geben zu müssen. Seine Cousine hätte diese bestimmt präsentiert.
«Das ist die Dietrich», stellte Irene fest. «Du interessierst dich also doch für Frauen.»
Philipp bildete sich ein, eine leichte Eifersucht herauszuhören. «Stört euch die Musik?»
«Gar nicht», meinte
Weitere Kostenlose Bücher