Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
Vom Netzwerk:
endgültig geklärten Unfall im peruanischen Hochland ums Leben gekommen. An ihr hatte er einen Halt gehabt, seinen einzigen familiären Halt. Priester hatte er bisher nicht werden können; der Schritt war ihm erst einmal verwehrt. Aber anders als Laubmann wollte er es gerne werden. Das war ihm wichtiger als eine Promotion. Trostlos mühte sich Hüttenberger ab, während der Bach unablässig plätschernd und gurgelnd seine Füße massierte. Schlimme Gedanken über die Möglichkeiten weiterer Gefahren türmten sich in ihm auf. Andere Tiere könnten ihn angreifen, Äste auf ihn herabfallen. Oben und unten lauerte die Gefahr. Ein wahrer Pfuhl seiner Ansicht nach. ‹ So ist sie nun, die Sündhaftigkeit der Welt›, jammerte er leise, ‹ diese Sündhaftigkeit, die ich ertragen muß.› Solche Leute wie Konrad scherten sich nach Meinung Hüttenbergers nicht darum. Die suhlten sich in den größten Sünden und verstießen durch ihren Lebenswandel ständig gegen ihre Gelübde, um damit den wahren Büßern wie ihm, Josef Maria Hüttenberger, um so mehr Pein aufzuladen. Er dachte an einen von ihm bevorzugten Spruch in Jesus Sirach: ‹Fliehe vor der Sünde wie vor einer Schlange; denn wenn du ihr zu nahe kommst, so sticht sie dich. Ihre Zähne sind wie Löwenzähne und töten den Menschen.› Schon begann er irgendwelche Gebete vor sich hinzumurmeln, keine innerlich empfundenen Gebete freilich, sondern Gebetsformeln, die den Sprecher eher einem Zwang unterwerfen. Hüttenberger verrannte sich regelmäßig in die längsten Serien von Litaneien, in Rosenkränze und sogenannte Ewige Anbetungen. Er bedachte nicht, daß Beten etwas anderes, viel Menschlicheres sein mußte. – Seine Füße trocknete er mit einem von seiner Schwester bestickten Taschentuch.

XVI
    Am Nachmittag begab sich Philipp Laubmann zur Wohnung Professor Konrads. Er hatte sich endlich vorgenommen, mit der Haushälterin, Melitta Steinig, ein Gespräch zu führen, um eventuell von deren Seite aus Licht in die Angelegenheit zu bringen. Er wollte nichts versäumt haben. Philipp lief wieder durch das Alte Rathaus der Stadt, das mitten in den Fluß gesetzt war, und durch die Judenstraße, das Wohnviertel der Juden im Mittelalter.
    Melitta Steinig kannte Dr. Laubmann beiläufig, so wie ihr andere Kollegen des Professors bekannt waren. Laubmann kam wie diese gelegentlich zu dienstlichen Besuchen in die Wohnung Konrads, die seine Haushälterin mit Kaffee, Tee, Gebäck oder einer Vesper abzurunden verstand. Sie geleitete Dr. Laubmann sogleich in die Küche, rechts hinter der Diele. Der Professor sei ausgegangen, hatte sie schon an der Haustür gesagt, und Philipp hatte ihr schmeichlerisch erklärt, daß er diesmal mit ihr plaudern möchte, unter vier Augen, mache er sich doch ein wenig Sorgen um ihren Dienstherrn. Daß der abwesend war, war ihm gar nicht unrecht; darauf hatte er sogar spekuliert, da er über dessen universitäre Veranstaltungen Bescheid wußte.
    Die Küche, in einem aus der Mode gekommenen matten Grün gehalten, war sauber und «bienenfleißig» aufgeräumt, wies aber kaum eine individuelle Ausstattung auf, so daß sie Besuchern unweigerlich den Eindruck vermittelte, die Zeit sei stehengeblieben. Wenn es nach Melitta Steinig gegangen wäre, hätten in der Küche mehr ausschmückende Gegenstände einen Platz gefunden. Ihr behagte die Nüchternheit keineswegs, denn sie mußte der Hausarbeit wegen, die sie freilich gerne tat, viele Stunden hier zubringen. Kochen bereitete ihr Freude, nur dieser Raum nicht. Professor Konrad bestand allerdings darauf, die gemeinsam genutzten Räume des Hauses so zu gestalten, daß diese nicht aussahen, als würden sie wie ein Ehepaar leben. Ein Priester müsse darauf achten, hatte er gleich zu Anfang entschieden. Sie respektierte das.
    Wenigstens brachten die blau geblümte Tischdecke oder der bunte Missionskalender neben der Tür einige Farbtupfer ein, und der auf dem Küchentisch liegende, wertvoll erscheinende Rosenkranz – aus elfenbeinfarbenen Perlen – wirkte in dieser Umgebung geradezu belebend. Melitta Steinig, die vor dem überraschenden Auftauchen Laubmanns eine kleine Arbeitspause mit Beten zugebracht hatte, steckte den Rosenkranz rasch in ihre dunkelbraune Küchenschürze, bevor sie ihrem Gast anbot, sich an den Tisch zu setzen. Auf einen Metallstuhl mit einem abwaschbaren grauen Plastikpolster.
    Die sterile Atmosphäre konnte Philipp Laubmann nicht abschrecken, zumal sich die Haushälterin des Professors

Weitere Kostenlose Bücher