Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
des Tages hab ich in meinem erlernten Beruf gearbeitet, in einer Versandfirma.» Vor einigen Jahren sei die Halbtagsstelle der Sekretärin an seinem Lehrstuhl frei geworden, da habe der Professor sie bald darauf gebeten, bei ihrer Firma zu kündigen, um die Stelle bei ihm zu übernehmen, «weil ich mich sowieso in seinen Dingen gut zurechtfinde».
Laubmann tastete sich mit seinen Fragen vorsichtig weiter: «Sie wissen natürlich, daß Professor Konrad in eine dumme Geschichte verwickelt ist.» Sie nickte mit gesenkten Lidern. «Das war ein schlimmer Unfall.» Sie nickte wieder. «Haben Sie Franziska Ruhland, die Tote, gekannt?» «Ja, aber nicht näher.» «Ich gehe davon aus, daß sie öfter hier war.» «Fast nie.»
«Die Polizei überprüft zur Zeit die halbe Fakultät, wie Sie sich vorstellen können. Und weil Professor Konrad ja gleich zu Beginn der Untersuchungen an mich herangetreten ist, bin ich mit der Sachlage vertraut und helfe gewissermaßen aus. Ich hoffe, daß er Sie davon unterrichtet hat.» «Nein. Davon weiß ich nichts.»
«Ja, das ist jetzt irgendwie bedauerlich. Erlauben Sie mir trotzdem, kurz ein paar Fragen zu stellen?»
Sie nickte, wie gehabt. «Ich helfe Ihnen natürlich; wenn ich kann. Ich will nur nichts sagen, was dem Herrn Professor schaden könnte. Sie verstehen das hoffentlich.» «Mir geht es in erster Linie darum, ihn zu unterstützen.» Was freilich ein wenig geheuchelt war, denn Laubmann ging es vor allem um die Lösung des Kriminalfalls. «An dem fraglichen Abend, dem Abend des Unfalls, also am 22. Oktober, war Professor Konrad ja in der Universität beschäftigt. Wann haben Sie ihn gesehen, sofern Sie sich daran erinnern? Davor und danach.»
Sie überlegte. «Ich erinnere mich schon daran, daß er, wie er das oft macht, so nach halb acht die Wohnung verlassen hat. Wiedergekommen ist er… warten Sie… da hab ich bereits in meinem Zimmer geschlafen… aber ich hab ihn gehört … so nach Mitternacht. Unsere Zimmer sind hellhörig.» «Ist es möglich, daß er zwischenzeitlich, das heißt während der Veranstaltung in der Universität, für kurze Zeit zu Haus war?»
«Bestimmt nicht. Er war doch der Leiter des Vortragsabends. Außerdem hätt ich's merken müssen; ich war den ganzen Abend über hier», sagte Melitta Steinig aus. «Eher persönlich gefragt, also nach Ihrem Eindruck: War er am darauffolgenden Tag etwas verstört?»
«Aber ich bitte Sie; an diesem Tag hat er doch von ihrem Tod erfahren.»
Der Tee war mittlerweile lauwarm; und die Küche war auch nicht gerade behaglicher geworden. Laubmann würde gleich gehen, damit die Haushälterin des Professors weiterbeten oder weiterarbeiten konnte. Ora et labora! Philipp spürte deutlich, daß sie sich innerlich verschlossen hatte. Sie nahm ihren Beruf, den sie womöglich sogar unter dem Aspekt der Berufung betrachtete, wirklich ernst. Den Rest des Tees mochte Konrad trinken.
Philipp Laubmann hätte gerne weitere Fragen vorgebracht, hätte bohrender gefragt, aber die monotone Kühle des Ortes machte ihn wie vernagelt. Es war ihm geistig schon schwergefallen, bis hierher zu gelangen.
Melitta Steinig war richtig schweigsam geworden und räumte ihren Tee, an dem sie nur genippt hatte, samt Untertasse zur Seite, als hätte sie viel zu viel Vertrauliches über Erich Konrad preisgegeben. «Ich glaube, ich habe alles gesagt», merkte sie schließlich ruhig an und setzte den Deckel endgültig auf die Kanne. «Für den Herrn Professor wäre es bestimmt nicht in Ordnung, daß ich mit Ihnen heimlich über ihn rede.»
Laubmann dankte ihr trotzdem für ihre Gesprächsbereitschaft, äußerte, daß er nicht hätte aufdringlich sein wollen und vielleicht ein andermal wiederkomme. Höflich begleitete sie ihn zur Haustür.
‹ Meine Cousine›, sinnierte Philipp auf dem Nachhauseweg, ‹frag ich besser nicht, wenn bei mir mal eine Haushälterinnenstelle zu haben ist.›
XVII
Um nicht vollends untätig zu sein und weil er sich nicht entschließen konnte, an seiner Habilitation zu arbeiten, eilte Philipp Laubmann an diesem Tag wenigstens noch zur Bibliothek, um wie jede Woche die neuen Bücher zu inspizieren. Die Angestellte im Vorraum, Sibylle Schmidt, registrierte er nur im Vorübergehen, denn voller Tatendrang strebte er gleich dem Lesesaal zu. Doch so schnell kam er diesmal nicht an ihr vorbei. «Herr Dr. Laubmann!» Er blieb stehen.
«Entschuldigen Sie, Herr Dr. Laubmann, ich soll Sie im Namen von Herrn Dr. Prestl fragen, ob Sie
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