Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
stürzte, wobei ihm die Waffe aus der Hand glitt und einen Abhang hinunterkullerte. Er selbst war mit voller Wucht auf die Hüfte gefallen und lehnte nun vor Schmerz und Scham stöhnend an einem aufgeschichteten Haufen aus Bruchsteinen.
Die Mönche, Laubmann und Konrad wagten sich angesichts eines solchen Bildes des Jammers aus ihren Deckungen und kamen vorsichtig näher. Die Lichter der Taschenlampen nahm der Mann wieder sehr bewußt wahr, denn das soeben Vorgefallene war wie in einem geistigen Nebel passiert. Es war ihm passiert, ausgerechnet ihm, und er erschrak ein weiteres Mal vor sich selbst. Die verdammte Schreckschußwaffe hatte er sich nur aus purer Angst besorgt. Schließlich stieß er einen ganz erbärmlichen Hilfeschrei aus, als ihn einer der Mönche am Arm packte, aber nur, um zu verhindern, daß er erneut ausrutschte.
«Den kenn ich doch, dem bin ich schon im Ordinariat begegnet! Heißen Sie nicht Scholz, Pfarrer Dominikus Scholz?» Mit lauter und deutlicher Stimme fegte Laubmann alles Bedrohliche und Gespenstische hinweg, was ihm selbst am meisten guttat.
«Nein, Schultz, mit t z!» widersprach der Verfolger überbetont.
«Sind Sie nicht strafversetzt?» fragte ihn Laubmann. Er erklärte es den anderen: «Er ist strafversetzt, weil er seine Gemeinde hinter die Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils zurückführen wollte, die Gemeinde sich das aber zu Recht nicht gefallen ließ.» Auch Konrad erinnerte sich an den Skandal in Kirchenkreisen.
Der gestellte Verfolger wischte sich den tropfenden Schweiß aus seinen fettigen pechschwarzen Haaren – und die Schuld wollte er gleich mit wegwischen. «Ich mach das für Herrn Glöcklein, den Herrn Prälaten. Er hat's mir aufgetragen. Ich soll Konrad überwachen, wegen seines Lebenswandels. Seiner Unzucht! – Ich nehme jetzt innerhalb der Diözese besondere Aufgaben wahr.»
«Hört, hört!» riefen die Kapuzinermönche, sogar ein wenig höhnisch. Alle drei trugen sie Bärte, was bei den Kapuzinern keine Pflicht mehr war, und standen nun etwas gelassener und mit entblößten Häuptern zwischen Laubmann und Konrad.
«Das also hat unser von uns allen geschätzter Glöcklein Ihnen aufgetragen, uns mit einer Waffe zu bedrohen wie ein Wahnsinniger!» Laubmann schrie Schultz regelrecht an. «Das war nur eine Schreckschußwaffe», beteuerte dieser. «Ich wollte Ihnen nichts antun, keinem von Ihnen!» Professor Konrad durchschaute die Laubmannsche Aktion noch immer nicht ganz, schließlich waren ihm die Mönche unbekannt. Laubmann erläuterte, daß die drei Mönche seine Freunde aus dem über dem Maintal auf einem Ausläufer des Steigerwalds gelegenen Kapuzinerkloster seien, mit denen alles verabredet gewesen sei und die ihm freundlicherweise geholfen hätten. Allerdings müsse er sich bei ihnen allen entschuldigen, denn die Aktion hätte auch ins Auge gehen können. In Zukunft werde er solche Pläne besser nicht mehr aushecken. Die Mönche pflichteten ihm ernsthaft bei.
«Das ist Pater Oswald, neben ihm Pater Oskar und Bruder Otto.» Die Mönche lächelten. Philipp wollte gerade anfangen zu erzählen, wie er und die Patres sich beim gemeinsamen Theologiestudium kennengelernt hatten, als Schultz verlangte, daß man ihn gehen ließ.
Da wurde Laubmann erneut zornig, denn er war auch zornig auf sich: «Sie betreiben selbst die größte Unzucht mit ihren Nachstellungen! Dagegen ist der Lebenswandel von Professor Konrad das Menschlichste, was ich mir vorstellen kann. Aber euch Fundamentalisten ist ja jedes Mittel recht. Der Zweck heiligt die Mittel, heißt es bei euch. Das hat allerdings mit der christlichen Moral nicht mehr das Geringste zu tun!»
«Wenn Sie mir Fundamentalismus vorwerfen, kann ich nur sagen: Seine Haushälterin» – er wies auf Konrad – «geht immer zu den offiziell nicht unbedingt gebilligten Sühnenächten. Außerdem wird das für den Herrn Prälaten Glöcklein sehr von Interesse sein, wie Sie diesen Herrn Konrad verteidigen.» Die Androhung klang in Anbetracht der Umstände mehr als kraftlos.
«Den Prälaten Glöcklein werde ich schon noch zur Rede stellen, das können Sie mir glauben!» Laubmann beeindruckte seine Begleiter durch scheinbare Respektlosigkeit. Er wandte sich von Schultz ab und behandelte ihn fortan, als wäre er Luft für ihn.
«Wußten Sie das von Ihrer Haushälterin?» fragte Philipp Laubmann den Professor wie beiläufig.
«Ich wußte davon», antwortete Erich Konrad lakonisch.
«Seit längerem. Aber ich habe
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