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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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und dann hatte abblitzen lassen. Noch als sie das Gespräch beendet hatten und er sich bereits mit Glaser in Verbindung setzte, schwang Respekt über Irenes Geschick in Laubmann nach.
    Wie erstaunt wäre er erst gewesen, hätte er gewußt, daß Irene nicht alleine war.
XXIV
    Ein sonniger Tag. Ein Tag, an welchem das Herbstlaub leuchtete wie von innen heraus. Sie hatten eine landschaftlich abwechslungsreiche Fahrt hinter sich, wobei Kommissar Glaser diesmal selbst den zivilen Einsatzwagen fuhr. Kollege Lürmann hatte nämlich kurzzeitig und als Aushilfe in einem anderen, weniger brisanten Fall Alibis zu überprüfen, und Glaser fühlte sich allein sowieso sicherer im Wagen. Das heißt, Dr. Laubmann begleitete ihn, auf dem Beifahrersitz.
    Der strahlte schadenfroh: «Meine Informanten sitzen näher an der Quelle. Ich billige der Polizei aber zu, daß sie ein wenig länger braucht und sich schwerer tut, weil ihr als Behörde die zwischenmenschlichen Kontakte fehlen, wie zu meiner Cousine beispielsweise, die geradezu ‹ fanatisch› von diesem Büßer verehrt wird.»
    «Das erkenne ich neidlos an, daß uns Ihre Cousine einen Dienst erwiesen hat. Ohne sie hätten wir nach unserm Josef Maria Hüttenberger noch lange gefahndet. Wer ahnt denn schon, daß der sich in so ein ‹ Übungshaus› zurückgezogen hat, und das zu Fuß.»
    «‹ Exerzitienhaus›», verbesserte Laubmann, «ein Haus für geistliche Übungen.»
    Das moderne Gebäude, ein ausgreifender Komplex, war in einem abgelegenen Seitental errichtet worden. Ein großflächiger Parkplatz für Pkws und Busse empfing sie oberhalb. Freilich sahen sie sich in ihrer Befürchtung getäuscht, daß ihr teures Zivilfahrzeug im kirchlichen Umfeld auffallen würde, da der Parkplatz reichhaltig bestückt war mit dezent protzigen Nobelkarossen, deren betuchte Besitzer damit anzeigen wollten, daß sie es sich leisten konnten, Bescheidenheit zu mimen, wann immer sie es wünschten. Das Exerzitien-Areal ließ sich von oben gut überblicken. Grob beschrieben, ein Geviert, das sich im Tal erstreckte, einstöckig, und grau wie ein sozialistischer Plattenbau. Nur die angesetzte Beton-Kirche ragte heraus, sowohl horizontal wie vertikal. Sie bildete ein überdimensioniertes Kreuz. Auch die Einzelbestandteile des Gevierts waren jeweils in Kreuzform errichtet worden. Im Innenbereich blieben durch diese Bauweise vier Höfe ausgespart, die einen Kreuzgang- und Bußcharakter ausstrahlen sollten. «Zu den Schmerzen Mariens»; und die Anlage verbreitete trotz des Sonnenscheins eine triste Stimmung, daß einem das Tal eher wie ein Tal der Tränen vorkam. Philipp Laubmann verspürte gerade an diesem Ort ein starkes Gefühl der Gottverlassenheit.
    Vom Parkplatz aus führte ein gewundener Fußweg über den von unnatürlich gesetzten Bäumen und Sträuchern bewachsenen Hang steil hinab, mit ausgewaschenem Kies als Belag. Jeder Kehre des Wegs waren Figuren regelrecht aufgesetzt worden, vor denen der Spaziergänger andächtig verweilen sollte. Das sah wie ein Kreuzweg aus, war aber im eigentlichen Sinne keiner, weil es nicht den Leidensweg Jesu zum Kreuz nachbildete, sondern nur Figurenthemen variierte: Jesus als Gegeißelter, Gekreuzigter und Auferstandener; Maria mit dem Kind, als Pietà und als Himmelskönigin mit blaugefärbtem Sternenmantel; und Engel, immer wieder Engel, laufend, kniend, flügelschlagend. Alles wetterfest in Bronze, grobschlächtig und angsteinflößend. Am Eingang zu einem schmaleren Nebenpfad ins «Paradies» – so die Aufschrift – hatte man seitens der Leitung des Hauses und finanziert aus den Spenden der gläubigen und nicht unbetuchten Gäste zwei überlebensgroße Kerubim postiert, sphinxähnliche Fabelwesen, die der ägyptischen Mythologie entsprungen sind und engelgleich im Alten Testament den Weg zum Lebensbaum im Garten Eden bewachen. Die beiden Kerubim aus Bronze dienten als Portal, durch das hindurchzuschreiten war, und waren recht urzeitlich dargestellt, als menschenähnliche Tierwesen mit jeweils vier Flügeln und vier Gesichtern, Rinderhufen und übervoll mit Augen. Laubmann schauderte ein wenig; aber womöglich war das ja beabsichtigt.
    An den Eingang des Gebäudekomplexes hatte man echte Pförtner gestellt. Laubmann und Glaser gaben sich als Bekannte des Josef Maria Hüttenberger aus und als Interessenten zukünftiger Angebote dieser kirchlichen Einrichtung. Der schwarze Cousinen-Pullover Philipps hinterließ wiederum einen tiefen Eindruck, unterstützt durch

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