Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
gesprochen; und es waren sofort Gerüchte im Umlauf. Daß Ihnen das nicht aufgefallen ist, Herr Laubmann, wo Sie doch sonst alles gleich bereitwillig aufsaugen.» Hüttenbergers Stimme hatte an Festigkeit gewonnen.
Glaser fuhr dazwischen: «Das klingt nicht sehr glaubwürdig.»
«Ich hab mir gedacht, selbst wenn sie's nicht ist, was kann's schaden? Konrad wird auf jeden Fall stutzig werden und erschrickt vielleicht, sieht, wie kurz das Leben ist, und geht in sich.»
«In dem Zusammenhang interessiert mich dringend Ihr Alibi. Sie haben in Anwesenheit Dr. Laubmanns angegeben, Sie seien zur Tatzeit in einer Sühnenacht gewesen. Wie lang?»
«Die ganze Nacht über. Es heißt ja auch Sühne-Nacht.» «Bitte genauer.»
«Von 18 Uhr bis 6 Uhr in der Frühe. Zwölf Stunden.» Stolz schwang mit.
«Wo?» «Wie: wo?»
«An welchem Ort haben Sie sich aufgehalten?» «Na, in St. Veit.»
Philipp hatte es nun mal gerne konservativ: «St. Vitus!» Glaser vermerkte Stichpunkte in einem kleinen Notizbuch. «Uns beschäftigt der Zeitraum etwa zwischen 22 und 23 Uhr. Haben Sie dafür Zeugen?»
Hüttenberger wirkte abgeklärt: «Unseren Beichtvater, Pfarrer Nüßlein – und Melitta Steinig, Sie werden's nicht glauben.» Er schaute ironisch zu Laubmann – was bei Josef Maria aber zynisch aussah –, wollte er doch zeigen, wie weit sein Einfluß reichte. Er fühlte sich im Recht, sich verteidigen zu dürfen, zumal er gleich von zwei Seiten angegangen wurde.
«Die Haushälterin von Professor Konrad? Das überrascht mich nicht», gab Laubmann zur Antwort. «Wir haben bereits Hinweise darauf.»
«Kunststück; das ist doch kein Geheimnis. Die Leute sollen ruhig von unseren Zusammenkünften erfahren. Wir wollen, daß die Leute zu uns finden.»
Der Kommissar blieb sachlich: «In welchem Verhältnis stehen Sie zu Melitta Steinig?»
Hüttenberger zierte sich nicht, sondern gab rundheraus zu: «Sie ist mir eine Vertraute – das darf ich wohl sagen.» Glaser und Laubmann warfen sich Blicke zu, doch Josef Maria Hüttenberger verharrte in seiner Nachdenklichkeit: «Eine Freundin, mit der ich viele gemeinsame Sühnestunden zugebracht habe, was Sie beide nicht verstehen werden.»
«Eine Freundin der Nacht sozusagen», ließ Laubmann fallen.
«Sie werden es nie begreifen.» Hüttenberger war bisher nicht aus der Reserve zu locken. Offensichtlich stärkten ihn die Exerzitien.
«Was einem Menschen verschlossen bleibt, muß ihn nicht die Seele kosten. Brief an Philipp, Kapitel 2, Vers 7.» Laubmann tat biblisch.
Hüttenberger überlegte. «Höchstens ‹ Brief an die Philipper ›. Aber Sie spotten und täuschen nur.»
Kommissar Glaser ignorierte ihr Geplänkel. «Trotzdem möchten wir», hakte er nach, «eine Schilderung von Ihnen hören, wie die Nacht verlaufen ist; und ich meine das nicht anzüglich, sondern klärend.»
«Dabei gibt es nicht viel zu klären. Frau Steinig war immer in meiner Nähe; wir haben zusammen geschwiegen und gebetet, gesungen, uns mal an den Händen gehalten. Am späten Abend hab ich noch gebeichtet – auch ein Sakrament, das von vielen nicht mehr geachtet wird.» «Aber gebeichtet haben Sie wohl allein, abgesehen vom Priester?» «Das steht mir zu, und so muß es sein.» «Wollt ich bloß wissen. Und wann war das?»
«Ich habe mich auf die göttliche Sphäre konzentriert, nicht auf die menschliche. Zeit wird dabei unwichtig.» «In dem Fall nicht – für uns nicht und für Sie nicht, höchstens für Gott.» Und daß er als Kommissar in dieser Situation bestimme, was wichtig ist, und nicht Gott, wollte er nicht laut hinzufügen. Über die Möglichkeit eines Gottes dachte er sowieso selten nach.
Zudem gab Hüttenberger gleich die Antwort: «Im Beichtstuhl war ich irgendwann zwischen zehn und elf Uhr nachts. Näher kann ich das nicht eingrenzen. Und dann hab ich vor unserer Gottesmutter gebetet.»
«Und danach?»
«Mein Gott, danach hab ich mich wieder neben Frau Steinig gekniet, in einer der Kirchenbänke. Pfarrer Nüßlein ist gleich darauf weggegangen, und sonst war meines Wissens nach niemand mehr in der Kirche.»
«Hat Frau Steinig Sie bemerkt, also kann Sie Ihr Gehen und Kommen bezeugen?»
«Ich hoffe das; sie war nämlich sehr in die Meditation versunken. Ich vertraue auf den Allmächtigen. – Etwa eine Viertelstunde später ist sie allerdings auch gegangen, ohne sich noch um mich zu kümmern. Ich bin für zwei Stunden allein im Kirchenschiff gewesen. Immer ein Erlebnis! Hernach haben sich
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