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Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz

Titel: Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Fröhling & Andreas Reuß
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immer das Licht brennen lassen. – Vielleicht war die Steinig ja drüben, daß sie inzwischen zurückgekommen ist – bei der weiß man nie. Sie hat mir nämlich mal erzählt, daß sie nachts, wenn jemand klingelt und wenn sie allein ist, daß sie dann nie aufmacht; und ihr Chef, der Herr Professor, hat ja selber einen Schlüssel.»
    Rose Laubmann wunderte sich wirklich ernsthaft, was die alle dort vorgehabt hatten. Sie konnte sich nichts von all dem zusammenreimen, hatte sich aber so gut wie jedes Wort eingeprägt, weil sie genau wußte, daß ihr Fipps nicht eher ruhen würde, bis er nicht alles bis ins letzte Detail aus ihr herausgeholt hatte. Jedes Wort der Frau Ferdl würde sie wiederholen müssen.
    Es war ihr, als hätte Wilhelm Busch ihren Sohn bereits beschrieben: «Der Fipps, das darf man wohl gestehn, ist nicht als Schönheit anzusehn. Was ihm dagegen Wert verleiht, ist Rührig- und Betriebsamkeit.»

XXIII
    Süßigkeiten liebte sie ebenfalls sehr, nicht nur das Wollige. Das eine wie das andere kam in der Wohnung von Philipps Cousine, Irene Laubmann, nur allzu deutlich zum Vorschein: Nostalgische Bonbonnieren standen auf einem Tischchen, Wollteppiche und Wollbilder hingen an den Wänden, als wollten sie mit dem flauschigen Bodenbelag in Konkurrenz treten. Hier und da Gläser und Porzellan sowie alte Fotografien in geschmackvollen Rahmen.
    Irene sammelte so manches von diesem schmückenden Beiwerk, denn darin offenbarte sich ihr oft eine ganze Welt. Deshalb besuchte sie gern Flohmärkte. Die nutzte sie jedoch mehr als Anregung für gediegene Einkäufe, weil ihr das «gebrauchte Zeug» manchmal zu «schmierig» vorkam, wie sie meinte. Wenn sie beim Einkaufsbummel in einem Porzellan- oder Haushaltswarengeschäft einen ähnlichen Gegenstand fand, war ihr – trotz des erhöhten Preises – die Neuware lieber. Zärtlich verzierte sie abends, wenn sie allein war, ihre Wohnung mit den Neuerwerbungen. Dabei achtete sie darauf, daß alles wie zufällig stehengelassen und nicht wie dekoriert aussehen sollte.
    Das Gefühl des Alleinseins und der Einsamkeit, beides, belastete sie allerdings mehr als noch vor einigen Jahren, in ihrer Ehe bereits und nach der Scheidung. Tagsüber weniger, wenn sie im Geschäft war; das war ihr Ablenkung genug. Aber die Abende und die Wochenenden, die Feiertage. Seitdem ihre Tochter Johanna in dem für einen kurzen Tagesausflug zu weit entfernten Internat lebte, war sie nun wirklich allein. Ihnen blieben zwar die Ferienzeiten, doch Johanna pflegte inzwischen auch eigene Interessen, und sie selbst konnte ihr Geschäft nicht ohne weiteres schließen. Außerdem konnte und wollte Irene ihr Anlehnungsbedürfnis und ihre Lustgefühle nicht verleugnen. Sie verstand ihren Cousin Philipp theoretisch schon, wenn er zwischen Alleinsein und Einsamkeit unterschied: Ein allein lebender Mensch müsse sich nicht zwangsläufig einsam fühlen; er könne sich von anderen angenommen, geliebt wissen, könne sich in Bücher vertiefen, die wie Freunde waren, sich generell mit Kulturellem befassen, und nicht zuletzt sei jeder in Gott aufgehoben. Nicht daß sie an Freunden, Büchern und Kultur, ja sogar an Gott keine Freude hatte, aber für sie waren Alleinsein und Einsamkeit praktisch dasselbe. Und ob Philipp immer gut damit zurechtkam, bezweifelte sie.
    Es half nicht viel, wenn sie hin und wieder eine der drei von ihr wegen der urtümlichen und lauschigen Atmosphäre bevorzugten Weinstuben in der Sandstraße, dem Bamberger Kneipenviertel, besuchte. Tiefere Gespräche kamen dort nur selten zustande, weshalb sie sich meist, wenn sie nicht verabredet war, ein Buch mitnahm, um nicht ganz so alleine zu wirken. Manchmal, selten, hatte sie einen neuen Gast kennengelernt, obwohl sie nie dorthin gegangen war, um einen Mann zu finden. Freilich, wenn sich's zufällig ergeben sollte, dachte sie früher, warum nicht? Doch eigentlich habe sie genug mit sich selbst zu tun, hatte sie gemeint, meinte es noch, und unverantwortlich werde sie niemals handeln. Die Zeit für eine neue feste Beziehung sah sie bisher nicht gekommen.
    Madame Bovary. Den Roman von Gustave Flaubert hatte sie damals, vor einem guten Vierteljahr, in «Ottilies Weinstube» bei sich. Daß die Weinstube auch Cousin Philipps Geschmack entsprach, hatte sie gewußt. Er wußte hingegen bis heute nicht, daß seine Schilderungen sie angeregt hatten, ab und zu hier vorbeizuschauen. Stunden hatte sie sich damals mit einem Gast namens Norbert Adelmann, einem

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