Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
seine Gewohnheit, und schickte, besser aufgelegt als am Vortag, einen freudigen Gruß an Elisabeth, dem die angekündigten Fragen folgten. «Ihre Freundin Franziska wird von Professor Konrad gern als ein Engel beschrieben, der ihm erst das wahre Leben, das Glück, die Liebe offenbart habe. Es steht zu befürchten, daß seine Verehrung für sie beinahe religiöse Züge annimmt, sofern er uns nicht was vorspielt. Ich frage mich, war sie wirklich ein Engel, wenn auch nicht im Sinn eines Gottesboten nach biblischem Verständnis? Ich meine einfach nur, war sie das bloße Opfer eines Verbrechens oder muß berücksichtigt werden, daß in ihrer Beziehung zu Erich Konrad auch eine Eigenwilligkeit ihrerseits zum Ausdruck kommt, die sogar als ein Schuldigwerden zu interpretieren wäre? Nicht an ihrem Tod, aber in ihrem Verhalten zu Erich Konrad? Vielleicht läßt sich daraus ein Motiv erschließen. Und hinter all dem taucht immer wieder die fundamentale Frage auf, wie ernst es ihr mit Professor Konrad war. – Sie haben Franziska gut gekannt, womöglich besser als Konrad selbst.»
«Sie haben recht, lieber Philipp, das sind wichtige Fragen, ohne deren Beantwortung kein schlüssiges Bild von Franziska entsteht. Ich möchte natürlich nicht den Eindruck erwecken, ihr Schlechtes nachzusagen; sie war sich jedoch selber am meisten über ihre Schwächen und speziell über ihre Schwäche für Männer im klaren. Insofern schreibe ich Ihnen sehr offen, wie ich Franziska gekannt und erlebt habe. Da vertraue ich Ihnen, denn ich glaube, daß ich das Ihnen gegenüber tun kann. Außerdem sind Sie Priester. Sie sind doch Priester? Oder sind Sie kein Priester? Das weiß ich jetzt gar nicht.» Philipp schreckte auf. «Nein!» rief er dem Bildschirm entgegen, «nein, ich bin kein Priester!» Was strahlte er aus, daß ihn Frauen so leicht für einen Priester halten mochten? Er mußte Elisabeth über den wahren Sachverhalt sehr bald aufklären. ‹ Hoffentlich bleib ich ihr sympathisch›, dachte er.
Dann las er weiter, was sie ihm geschrieben hatte: «Ich habe sicher schon angedeutet, daß Franziska verwöhnt war; zudem war sie finanziell unabhängig, ledig, schön und ehrgeizig, und das vor allem im Hinblick auf Männer.Wenn sie einen Mann haben wollte, hat sie alles darangesetzt, ihn zu kriegen. Dabei hat es sie kaum gekümmert, ob ein Mann verheiratet war. Das war allein seine Sache. Alle lagen ihrem Charme zu Füßen. Und ebenso schnell hat sie sich wieder getrennt, was einigen der Männer nicht mal unrecht war. Ich glaube, viele Männer tun sich leichter damit, wenn die Frau sich trennt, als umgekehrt, obwohl sie erst einmal darunter leiden, vielleicht leiden wollen.» Philipp schaute ungläubig. «Manche werden bestimmt gelitten haben. Wenn Sie also ein Motiv suchen, das wäre eins.» Laubmann fiel Prestl ein, und er wollte gleich nachfragen. Aber Elisabeth kam selbst auf ihn zu sprechen: «Das war bei Franziska weniger ein sexuelles Begehren, sondern fast so etwas wie ein Ausdruck von Macht, von Besitzenwollen. Deshalb hat sie sich auch gerne Männer ausgesucht, die einen gehobenen beruflichen oder gesellschaftlichen Status aufzuweisen hatten. Und deshalb war es für sie nicht schwer, sich von dem Ihnen bekannten theologischen Bibliothekar loszusagen, trotz seines wohl eher einseitigen Verlöbnisses mit ihr, weil es bei ihm einfach nicht klappen wollte mit der Ernennung zum Direktor der Bibliothek. Wie oft hat sie mir das und alles andere erzählt, egal, ob ich sie kritisiert oder gescholten habe.»
Entweder hatte Prestl das durchschaut, überlegte Laubmann, oder er hing noch heute einer Illusion nach. Welche Bedeutung aber hatte Franziskas Verhalten für Konrad? Der hatte schließlich einen Status, ja er hätte seinen Status gefährdet, hätte er sich auf eine Heirat mit ihr eingelassen. Das mußte sie wissen.
«Doch danach ist etwas passiert, womit Franziska nicht gerechnet hat», fuhr Elisabeth fort. «Sie muß der Liebe begegnet sein, der wahren Liebe, der Liebe ihres Lebens. Und so jung sind wir ja alle nicht mehr. Zuerst war Professor Konrad für sie nur eine Eroberung, sogar eine richtige Herausforderung: ein Verhältnis mit einem leibhaftigen Priester. Den für sich zu gewinnen und über eine ganze Institution zu siegen. Sie sprach von Heirat, weil er sich deshalb nicht nur für sie, sondern auch gegen sein Priestertum entscheiden mußte. Natürlich hat sie am Anfang das mit dem Heiraten für sich nicht ernstgenommen. Aber
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