Laubmann 1 - Der zerrissene Rosenkranz
mehr so deutlich vergegenwärtigen können.» Philipp wollte sie keiner Lüge bezichtigen. «Sie haben behauptet, Sie waren den gesamten Abend über hier.»
Das brachte sie sehr in Verlegenheit. «Ich bitte Sie, das einzusehen; ich wollte nicht, daß meine innere Haltung zu den Sühnegottesdiensten bekannt wird.»
«Womöglich gefährdet Ihre Abwesenheit in dieser Nacht das Alibi von Professor Konrad.»
«Um Himmels willen, das will ich auf gar keinen Fall! Erich war doch beim Vortrag!»
«Zeitweise soll er auf seinem Zimmer gewesen sein, in der Fakultät, und dabei hat ihn niemand gesehen. – Es ging ihm nicht gut an dem Abend.»
Jetzt war Frau Steinig völlig außer sich. Sie legte beide Hände vor die Augen, dann an die Wangen und fragte Dr. Laubmann groß: «Was kann ich denn da machen?» «Nichts, außer bei den Tatsachen bleiben», stellte Laubmann fest. «Vielleicht kommen wir ja wenigstens mit Herrn Hüttenberger weiter. Sind Sie an dem besagten Abend von zu Hause aus unverzüglich zur Kirche gegangen?» «Ja, bestimmt!»
«Also waren Sie spätestens um 20 Uhr 30 dort.»
«Wahrscheinlich etwas früher, es ist nicht weit. Und Herr Hüttenberger und ich waren anschließend die ganze Zeit über in der Kirche.»
«Hat er nicht auch gebeichtet?»
«Ja. Einmal.»
‹Na mehrmals wohl kaum in einer Nacht ›, dachte Laubmann. «Und wann?»
Melitta Steinig schien unschlüssig zu sein. «Vielleicht so nach zehn.»
«Aber die Kirche hat er nicht kurzfristig mal verlassen?» «Nein, bestimmt nicht.»
«Und wann genau haben Sie die Kirche verlassen?» «Ungefähr so nach elf muß das gewesen sein.» Laubmann betonte es nachdrücklich: «Damit bestätigen Sie also Herrn Hüttenbergers Alibi.» Und nach einer Pause fragte er: «Haben Sie vom Unfall Frau Ruhlands etwas wahrgenommen? Er war ja ganz in der Nähe!»
«Mir ist nichts aufgefallen. Ich hab an so was nicht gedacht!»
«Wer war denn sonst noch in der Kirche?»
«Am Anfang mehrere; unsere Gemeinschaft wächst, müssen Sie wissen. Später außer Herrn Hüttenberger nur unser Beichtvater, Herr Pfarrer Nüßlein, und ein Herr Rödel, der ist immer mit dabei. Der ist einer unserer glühendsten Marienverehrer. Er ist allerdings schon vor mir gegangen; vor zehn Uhr sogar.»
Philipp stellte sich Herrn Rödel auf einmal mit glühendem Kopf vor, rötlich strahlend in der Finsternis, blieb jedoch ernsthaft bei der Sache. «Wie oft besuchen Sie die Sühnenächte denn?»
«Wenn's geht, also wenn Erich einen Abendtermin hat, so ein-, zweimal im Monat. Herr Hüttenberger möchte meine ‹ Frequenz› aber steigern, wie er sagt.»
Laubmann spürte, daß sich Melitta Steinig von ihm ernstgenommen fühlte. Beinahe könnte man meinen, wir haben ein vertrauensvolles Gespräch geführt. Er war ja auch vertrauenserweckend. Es schmerzte ihn, daß er nur gekommen war, um sie auszuhorchen, zumal sie sehr nachdenklich gestimmt war, als er aufbrach, in sich gekehrt.
Er mußte auf andere Gedanken kommen. Mit einer anderen Frau sprechen, einer lebhafteren, einer – obgleich er ihr nur in Worten begegnet war –, die er anziehend fand. Aber das war anmaßend. Dennoch hatte Elisabeth zwischenzeitlich angefragt, wann sie wieder ein ausgiebiges «Gespräch» führen wollten. Als er seinen Posteingang im Computer öffnete, wurde erneut eine E-Mail-Nachricht angezeigt – was sich denn in Bamberg so ereigne.
Er war nicht gut gelaunt. «Kanal- und Straßenbau. Ansonsten Marketing, nichts als Marketing; lästiger lauter Unsinn, Events genannt. Nein, es findet auch Denkwürdiges statt wie die millionenträchtige Theatersanierung oder Großausstellungen des Internationalen Künstlerhauses auf Straßen und Plätzen, die sich dann in provinziellen Auseinandersetzungen darüber widerspiegeln.» Im Grunde benötige er kaum etwas davon, gab Philipp in seiner Antwort zu, er bevorzuge die Stille, die Stille der Nachdenklichkeit. Gott sei Dank bestünde «Ottilies Weinstube» noch und hoffentlich noch lange in ihrem bisherigen Zustand, unrenoviert und ohne Erlebnisgastronomie. Er würde es sich wünschen, sich mit ihr, Elisabeth, dort einmal treffen zu können, von Angesicht zu Angesicht sozusagen. Wie bei seinem ersten Kontakt übersandte Philipp seine EMail-Nachricht am Abend, wiederum verbunden mit der Ankündigung, sich am Morgen bei ihr in Neuseeland für ein längeres «Gespräch» zu melden. Er hatte neue Fragen zu Franziska.
Und abermals war Philipp um 7 Uhr munter, ganz gegen
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