Lauf des Lebens
„Ich muss mich bei ihr entschuldigen. Es ist nur so schwer zu erklären …“
Dione kicherte leise. „Sie ist unverkennbar deine Schwester.“
Er schaute sie drohend an. „Nicht so frech, junge Frau. Immerhin habe ich jetzt das Einfallstor zu deiner Festung gefunden: Du bist so kitzelig wie ein Baby.“
Sicherheitshalber sprang sie außer Reichweite. „Wenn du mich noch einmal durchkitzelst, dann schleiche ich mich nachts an dich heran und übergieße dich mit kaltem Wasser.“
„Das traue ich dir ohne Weiteres zu“, schnaubte er und blickte sie an. „In zwei Wochen möchte ich eine neue Revanche.“
„Du bist scharf auf Bestrafung, stimmt’s?“, fragte sie munter, sprang auf die Füße und überlegte, wie sie ihn am besten vom Fußboden auf den Tisch hieven konnte.
„Versuch es gar nicht erst“, sagte er, als er den abschätzenden Blick sah, mit dem sie den Höhenunterschied maß. Sie lächelte kleinlaut, denn sie war tatsächlich im Begriff gewesen, selbst anzupacken. „Ruf Miguel, damit er dir hilft.“
Miguel war Blakes Chauffeur, sein „Mädchen für alles“ und auch sein Bodyguard, vermutete Dione. Er war klein, hager und gestählt. Sein dunkles Gesicht war von einer Narbe verunstaltet, die sich über die ganze linke Wange zog. Niemand hatte ihr gegenüber erwähnt, wie Miguel in Blakes Dienste gelangt war, und Dione wollte es lieber auch gar nicht wissen. Sie wusste nicht einmal, woher Miguel stammte. Sie wusste, dass er Portugiesisch ebenso gut sprach wie Spanisch und Englisch, deshalb tippte sie auf Südamerika. Aber auch darüber hatte sie niemand aufgeklärt, und Dione hatte nicht weiter nachgefragt. Ihr reichte es zu wissen, dass sich Miguel um Blake kümmerte.
Miguel war kein Typ, der viele Fragen stellte. Wenn er überrascht war, seinen Arbeitgeber auf dem Fußboden vorzufinden, so zeigte er das jedenfalls nicht. Zusammen mit Dione hob er Blake hoch und legte ihn auf den Tisch.
„Miguel, ich brauche hier eine Hebevorrichtung wie die, die du dort am Pool montiert hast“,erklärte Blake. „Wir könnten eine Schiene an der Decke befestigen … so …“ Er deutete in die Längsrichtung des Raumes. „Mit einem Hebearm, der in alle Richtungen schwenkt und an der Schiene entlangläuft. Dann könnte ich mich nach Belieben alleine auf- und abbewegen.“
Miguel betrachtete die Decke und begriff sofort, was Blake vorschwebte. „Kein Problem“, meinte er schließlich. „Reicht es morgen?“
„Wenn es nicht schneller geht, dann muss es wohl reichen.“
„Du bist ja ein grausamer Sklavenhalter“, sagte Dione, als sie ihm den Nacken mit dem warmen Körperöl massierte.
„Das habe ich von dir gelernt“, murmelte er schläfrig und vergrub den Kopf noch tiefer in seiner Armbeuge. Der Kommentar brachte ihm einen Kniff in die Seite ein, und er musste lachen. „Eine Sache noch“, fuhr er fort. „Ich habe mich noch nicht gelangweilt, seit du im Haus bist.“
5. KAPITEL
Blake war bereits wach, als Dione am nächsten Morgen sein Zimmer betrat. Er saß nach vorne gebeugt da und massierte sich die Schenkel und Waden. Erfreut, dass er sich nun aktiv um sein körperliches Wohl kümmerte, sah sie ihm zu.
„Ich hatte gestern Abend ein langes Gespräch mit Serena“, sagte er, ohne aufzublicken.
„Gut. Ich hoffe, die Entschuldigung hat dein Gewissen beruhigt“, erwiderte sie, stellte sich hinter ihn und knetete seinen Rücken und seine Schultern durch.
„Sie war verunsichert. Offensichtlich fährt Richard sofort weiter, wenn er sie zu Hause abgesetzt hat, und Serena vermutet, dass er sich mit einer anderen Frau trifft.“
Dione hielt inne. War das möglich? Für einen Schürzenjäger hätte sie Richard nicht gehalten. Das wäre so geschmacklos, und Richard war kein geschmackloser Mann.
Blake wandte sich um und sah sie an. „Serena glaubt, dass er sich mit dir trifft“, sagte er rundheraus.
Dione setzte ihre Finger wieder in Bewegung. „Was hast du daraufhin gesagt?“, fragte sie und versuchte, ruhig zu bleiben. Sie konzentrierte sich ganz auf die Massage und registrierte, dass Blake sich nicht mehr so knochig anfühlte wie anfangs.
„Ich habe ihr gesagt, dass ich der Sache nachgehen und sie unterbinden werde, wenn es sich tatsächlich so verhält“, antwortete er. „Schau nicht so unschuldig drein. Wir wissen doch beide, dass Richard sich von dir angezogen fühlt. Mein Gott, er müsste doch halb abgestorben sein, wenn er es nicht wäre. Du bist genau der Typ Frau, den
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