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Lauf des Lebens

Lauf des Lebens

Titel: Lauf des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LINDA HOWARD
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verblüfft.
    „Natürlich. Wenn ich dir meinen Körper anvertraue, dann doch wohl auch meine Haare, oder?“, konterte er.
    „Na dann los“, sagte sie und gab ihm einen Klaps auf die Schultern. „Ich bin neugierig, ob du Ohren hast. Los, geh runter von mir.“
    Ein Schauder lief ihm über den Rücken, und er wandte sich zu ihr um. Mit Augen, die so blau und ungestüm waren wie die Tiefsee, schaute er sie an.
    Sie wusste, was er dachte, doch sie beendete den magischen Augenblick, indem sie schnell ihren Blick abwandte.
    Eine unbeschreibliche Intimität verband sie miteinander. Dione war nervös, obwohl sie nicht hätte sagen können, wovor sie sich fürchtete. Es war … ungewohnt. Während sie mit der Schere in seinem dichten Haar hantierte, zeigten sich auf ihrer Stirn nachdenkliche Falten. Blake war ihr Patient, und sie hatte gelernt, sich nicht vor ihren Patienten zu fürchten. Er war näher an sie herangekommen als jeder andere Mensch zuvor, näher selbst als die Kinder, die sie behandelt hatte und die sie stets ganz besonders gerührt hatten. Zugleich war er di e große Herausforderung ihrer Karriere. In doppelter Hinsicht bedeutete er ihr also ungeheuer viel, aber trotzdem: Er war ein Mann, und deshalb konnte sie nicht begreifen, weshalb sich dieses eisige, krankmachende Gefühl nicht einstellte, das sie immer dann überfiel, wenn ihr ein Mann zu nahe kam. Blake konnte sie sogar anfassen, obwohl sie männliche Berührungen normalerweise keine Sekunde ertrug.
    Vielleicht lag das daran, versuchte sie sich zu erklären, dass sie sich bei ihm sicher fühlte. Er hatte es ja selbst gesagt: Er war körperlich überhaupt nicht in der Lage, ihr in irgendeiner Weise nachzustellen. Auf sexueller Ebene war er ebenso harmlos wie die vielen Kinder, die sie umarmt und getröstet hatte.
    „Du siehst aus wie Michelangelo, der sich mit den letzten Korrekturen an einer Statue schwertut“, foppte er sie. „Hast du mir ein dickes Loch in die Frisur geschnitten?“
    „Natürlich nicht!“, protestierte sie und fuhr mit den Fingern durch sein widerspenstiges Haar. „Ich bin eine sehr gute Friseurin, nur damit du es weißt. Möchtest du einen Spiegel?“
    Er lächelte strahlend. „Nein, ich vertraue dir. Jetzt kannst du mich rasieren.“
    „Den Teufel werde ich tun!“ Mit gespielter Empörung wedelte sie ihm die abgeschnittenen Haare von den Schultern. „Es ist höchste Zeit für deine Sitzung auf der Folterbank. Verzögerungstaktik verfängt bei mir nicht!“
    In den darauffolgenden Tagen sprachen sie nicht weiter über die Beziehung von Richard und Serena, und obwohl die beiden wie gewohnt gemeinsam zum Abendessen vorbeikamen, war eine Abkühlung zwischen ihnen deutlich spürbar. Richard behandelte Dione mit Zuneigung, die jedoch nicht über die Grenzen reiner Freundlichkeit hinausging. Dennoch glaubte Dione, dass Serena nicht wirklich von der Unschuldigkeit ihrer Beziehung überzeugt war. Blake beobachtete all das mit Argusaugen und hielt sich Dione dicht an seiner Seite.
    Sie verstand die Gründe, aus denen Blake das tat, und da es ihr nicht widerstrebte, mit ihm zusammen zu sein, sondern ihr sogar Spaß machte, leistete sie ihm Gesellschaft, wann immer er es wünschte. Je kräftiger Blake wurde, umso mehr trat sein zu Extremen neigendes Wesen zutage, und Dione benötigte all ihre Energie, um ihm einen Schritt voraus zu bleiben. Sie musste Poker mit ihm spielen. Sie musste Schach mit ihm spielen. Und sie musste sich mit ihm zusammen Fußballübertragungen anschauen. Es gab tausend Dinge, die ihn interessierten, und er wollte, dass sie seine Begeisterung dafür teilte. Es war so, als hätte er zwei Jahre lang im Koma gelegen und wäre mit dem Vorsatz aufgewacht, das Versäumte möglichst schnell aufzuholen.
    Er trieb sich selbst härter an, als sie es je getan hätte. Die Tatsache, dass sie größere Gewichte stemmen konnte als er, hielt ihn über Stunden auf der Hantelbank fest. Weil sie länger und schneller schwimmen konnte als er, jagte er sich selbst Runde um Runde durch den Pool, obwohl er seine Beine noch gar nicht benutzen konnte. Und jede Woche forderte er eine Revanche im Armdrücken. Bei seiner fünften Herausforderung besiegte er sie endlich und war so beseelt von seinem Sieg, dass sie ihm zur Belohnung Blaubeerwaffeln zum Frühstück erlaubte.
    Trotz alledem war sie nervös, als der Tag gekommen war, an dem er zum ersten Mal seine Beine benutzen sollte. Das war der Knackpunkt der gesamten Therapie: Falls

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