Lauf des Lebens
vorbei, wenn Dione und Blake ihr Trainingspensum absolviert hatten. Dass sie wiederum auch nicht zu spät kommen durfte, um ihren Bruder noch wach zu erleben, hatte sie ebenfalls begriffen. An den meisten Abenden kam Richard ebenfalls zum Essen.
Richard war ein geistreicher, unterhaltsamer Mann mit trockenem Humor und einem Repertoire an Witzen, die Dione oft köstlich amüsierten, sich aber nicht wiederholen ließen, wenn Serena und Blake fragten, warum sie denn so lachte.
Zwar hatte sich Richard Dione gegenüber stets wie ein Gentleman verhalten und war in keiner Weise anzüglich geworden, doch Dione konnte in seinen Augen eine tiefe Bewunderung für sie lesen und spürte eine stetig zunehmende Liebenswürdigkeit. Und sie war sicher nicht die Einzige, die merkte, dass Richard sich womöglich ein wenig in sie verliebt hatte. Serena war feinsinnig und diskret, aber sie beobachtete Richard sehr genau, wenn er mit Dione sprach. In gewisser Weise war Dione erleichtert darüber, denn es bedeutete, dass Serena ihrem Mann überhaupt noch Aufmerksamkeit schenkte. Gleichzeitig wollte sie aber keine Komplikationen, zumal überhaupt nichts hinter der ganzen Sache steckte.
Sie hatte das Gefühl, dass sie mit Richard nicht darüber reden konnte. Was, wenn sie ihn in die Schranken wies und er die ganze Zeit einfach nur höflich sein wollte? Er liebte seine Frau, da war sie sich sicher. Er mochte und bewunderte seinen Schwager. Und trotzdem: Auf Dione reagierte er in einer ganz besonderen Weise – in ziemlich unmissverständlicher Weise.
Dione war nicht zum ersten Mal das Objekt ungewollter Bewunderung, aber jetzt geschah es auf so subtile, wenig greifbare Art, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie damit umgehen sollte. Sie wusste, dass Richard niemals versuchen würde, sich ihr aufzudrängen – aber Serena war trotzdem eifersüchtig. Gleichzeitig fühlte sich ein Teil von Dione, ihre weibliche Seite, sogar ein wenig geschmeichelt. Auch wenn sie wusste, dass der eigentliche Auslöser nicht sie, sondern Serena war, die ihrem Mann nicht die Aufmerksamkeit schenkte, die er verdiente.
Aber eigentlich, sagte sich Dione, sind Serena und Richard sowieso nicht wichtig. Zumindest durfte sie nicht zulassen, dass sie ihr wichtig wurden. Es ging einzig und allein um Blake. Der kam langsam aus dem Gefängnis seiner Bewegungslosigkeit heraus und ließ erste Züge des Mannes erkennen, der er vor dem Unfall gewesen war. Sie hoffte, ihn in vier Wochen zum Stehen zu bringen. Nicht zum Laufen, aber zum Stehen. Er würde seine Beine erst langsam wieder daran gewöhnen müssen, das Gewicht seines Körpers zu tragen. Dazu schuf sie jetzt die Grundlagen, stabilisierte seine Gesundheit und baute seine Kräfte so weit auf, dass er sich würde auf den Beinen halten können, wenn sie ihn darum bat.
Dione ließ heißes Wasser in eine Plastikschüssel laufen und legte die Flasche mit dem Körperöl hinein, um es für die Massage aufzuwärmen, die sie ihm vor seinen Schwimmübungen zum Schutz vor Verkühlung gab. Nicht dass eine Erkältung im vierzig Grad heißen Phoenixer Sommer wahrscheinlich ist, dachte sie belustigt. Trotzdem: Blake war so dünn und immer noch so schwächlich, dass sie kein Risiko eingehen wollte. Außerdem schien er das Einmassieren des warmen Öls zu genießen, und angesichts seiner freudlosen Tage gönnte sie ihm diesen kleinen Genuss von Herzen.
Sie war rastlos und streifte ziellos durch den umgebauten Sportraum. Dann hielt sie kurz inne, um ein paar Stretching-Übungen zu machen, und beschloss, mit einem Workout zu beginnen, um ihre überschüssigen Energien loszuwerden. Sie legte sich auf die Hantelbank.
Sie liebte Gewichtheben und tat es mit dem Ziel, ihre Kraft zu steigern, nicht ihre Körpermasse. Entsprechend hatte sie ihr Trainingsprogramm konzipiert. Für Blake hatte sie das Programm so abgewandelt, dass er zwar Muskelmasse aufbaute, sich dabei aber nicht aufblähte wie Mister Universe. Mit sorgfältig kontrollierter Atmung und voller Konzentration begann Dione jetzt ihre Übungen. Hoch und runter, hoch und runter.
Sie beendete das Beintraining und baute das Gerät für die Armübungen um, die sie schnaufend in Angriff nahm. Die Anforderung an ihre Muskeln hatte ein Niveau erreicht, das ihr große Befriedigung verschaffte. Sie konnte gar nicht aufhören.
„Du verdammte Schummlerin!“ Blakes brüllende Stimme riss sie aus der Bewegung. Erschreckt fuhr sie hoch und starrte ihn verwirrt an. Blake saß mit hochrotem,
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