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Lauf des Lebens

Lauf des Lebens

Titel: Lauf des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LINDA HOWARD
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er im Umgang mit seinen Beinen keine Fortschritte spürte, würde seine Hoffnung jäh zerplatzen und er in seine Depression zurückfallen.
    Sie sagte ihm nicht, was sie plante. Nachdem er seine Übungen auf der Hantelbank beendet hatte, setzte sie ihn zurück in den Rollstuhl und fuhr mit ihm zu den zwei parallelen Haltestangen, an denen er sich abstützen würde, während sie seinen Beinen zeigte, was sie zu tun hätten. Er blickte zuerst auf den Holzbarren, dann zu ihr und hob schließlich fragend die Augenbrauen.
    „Es wird Zeit, mit dem Faulenzen aufzuhören“, sagte sie so beiläufig wie möglich, obwohl ihr Herz so laut schlug, dass er es eigentlich hätte hören müssen. „Auf die Beine.“
    Er schluckte. Sein Blick wanderte von ihr zum Barren und wieder zurück.
    „Das ist er, oder? Der D-Day?“
    „Genau. Keine große Sache. Es geht nur darum, zu stehen. Nicht zu laufen. Lass deinen Beinen Zeit, sich an dein Gewicht zu gewöhnen.“
    Blake biss die Zähne zusammen und reckte sich nach den Holzstangen. Dann umfasste er sie und zog sich selbst aus dem Rollstuhl heraus.
    Als er sich mit der Kraft seiner Arme und Schultern hochstemmte, erwies sich das Gewichtheben als sehr nützlich. Dione richtete ihr volles Augenmerk auf die Koordination und Arbeit seiner Muskeln – denn Blake hatte tatsächlich schon richtige Muskeln, nicht mehr nur Haut und Knochen. Er war immer noch zu dünn, aber er sah nicht mehr aus wie das Opfer einer Hungerkatastrophe. Sogar seine Beine hatten mit einer dünnen Muskelschicht auf das harte tägliche Training reagiert.
    Er war blass, und der Schweiß lief ihm übers Gesicht, als Dione seine Füße gerade und fest auf dem Boden platzierte. „So, jetzt kannst du die Anspannung aus den Armen herausnehmen“, sagte sie mit weicher Stimme. „Verlagere dein Gewicht auf die Beine. Vielleicht wirst du fallen. Das ist kein Grund zur Sorge. An diesem Punkt der Therapie fallen die meisten Patienten hin.“
    „Ich nicht“, sagte er eisern, warf seinen Kopf zurück und biss die Zähne zusammen. Er tarierte seine Position mit den Händen aus, sein Gewicht lag jedoch allein auf seinen Füßen. Plötzlich stöhnte er laut auf. „Du hast mir nicht gesagt, dass es wehtut“, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
    Dione warf ihren Kopf herum, ihre bernsteinfarbenen Augen leuchteten vor Aufregung. „Tut es weh?“
    „Wie die Hölle, wie tausend Nadelstiche …“
    Sie stieß einen Freudenschrei aus und wollte ihn umarmen, hielt sich aber sofort zurück, als sie sah, wie mühsam er sein Gleichgewicht hielt. Ihre Augen wurden feucht. Seit ihrer Kindheit hatte sie nicht mehr geweint, aber jetzt war sie so stolz, dass sie machtlos war gegen die Tränen. Trotzdem versuchte sie, sie mit einem Blinzeln zurückzuhalten, doch sie hingen bereits silbrig glänzend in ihren dichten Wimpern, als sie Blake mit einem ängstlichen Lächeln ansah. „Du weißt, was das heißt, oder?“
    „Nein. Was?“
    „Dass die Nervenbahnen intakt sind! Dass al les funktioniert. Die Massagen, die Übungen, der Whirlpool … dein e Beine ! Begreifst du nicht?“, rief sie und hüpfte auf und ab.
    Er drehte seinen Kopf zu ihr um. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht gewichen, nur seine Augen glühten wie blaue Kohlen.
    „Sag es!“, flüsterte er. „Sprich es aus!“
    „Du wirst wieder laufen können!“, rief sie. Dann war es endgültig um ihre Beherrschung geschehen. Ihre krampfhaft unterdrückten Tränen schossen hervor und verschleierten im Nu ihren Blick. Sie wischte sie mit dem Handrücken weg und fing an zu lachen, was sich ziemlich feucht anhörte. „Du wirst bald wieder laufen!“, wiederholte sie.
    Sein Gesicht verzog sich vor Freude und Euphorie. Er ließ den Barren los und streckte ihr seine Arme entgegen, wobei sein Körper aus dem Gleichgewicht geriet und nach vorne fiel. Dione fing ihn auf und schlang ihre Arme um ihn. Doch er war mittlerweile zu schwer für sie, sodass sie strauchelte und plötzlich unter ihm lag. Er hielt sie mit beiden Armen fest und vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge. Ihr Herz setzte einen Moment lang aus. Ihr Blut schien in den Adern zu gefrieren. „Nein“, flüsterte sie. Ihr Kopf war plötzlich vollkommen leer, mit beiden Händen stemmte sie sich gegen seine Schultern.
    Diese Schultern begannen mit einem Mal seltsam zu zittern. Gleichzeitig hörte sie ein Geräusch. Aber es war nicht das Geräusch, das sie aus ihren Albträumen kannte.
    Dann plötzlich, so als hätte

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