Lauf, Jane, Lauf!
Freundinnen mehr, weil ich ihnen mit meinem ständigen Gerede über Daniel so auf die Nerven gefallen bin. Sie sind alle der Meinung, ich sollte aufhören zu reden und endlich mein Leben anpacken, aber ich bin noch nicht so weit, daß ich einfach loslassen kann. Wir waren immerhin fünfzehn Jahre zusammen. Ich habe noch soviel zu reden.«
»Dann rede mit mir! Bitte«, drängte Jane. »Wenn die Leute mich behandeln würden wie immer«, setzte sie hinzu, zum ersten Mal die Gedanken der letzten Tage in Worte fassend, »würde ich vielleicht schneller wieder in mein Leben zurückfinden. Aber alle sind so fürsorglich und rücksichtsvoll und nehmen mir jeden Handgriff ab und achten so darauf, daß ich nur ja genug Ruhe bekomme, daß ich das Gefühl habe, in einem gläsernen Käfig zu sitzen. Bitte«, sagte sie noch einmal, »erzähl mir von Daniel.«
»Also gut. Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
»Keine Angst.« Jane schüttelte den Kopf.
»Wir haben geheiratet, als ich achtundzwanzig war. Ich war wirklich reif für die Ehe, das kannst du mir glauben. Meine Freundinnen waren alle schon verheiratet, und ich hatte immer noch keinen abbekommen. Achtundzwanzig, ein bißchen rundlich und nicht gerade eine Schönheitskönigin - ehrlich, ich bekam langsam Torschlußpanik. Meine Eltern hatten die Hoffnung sowieso schon aufgegeben. Du bist zehn Jahre jünger als ich, du kannst dir das wahrscheinlich gar nicht mehr vorstellen, aber damals mußte man als Frau noch verheiratet sein, wenn man jemand sein wollte. Na, kurz und gut, da kreuzt eines Tages Daniel Bishop auf. Zahnarzt, gutaussehend, allerdings ein paar Jahre jünger als ich. Aber was macht das schon? Es waren nur fünf Jahre. Ich habe mich unsterblich in ihn verliebt.«
»Und dann habt ihr geheiratet«, sagte Jane.
»Nein, erst wurde ich schwanger. Danach haben wir geheiratet. Dann kam Celine und ein paar Jahre später Andrew. Anfangs hatten wir es nicht leicht, aber mit den Jahren wurde es immer besser. Daniels Praxis lief glänzend. Wir waren glücklich.
Aber dann gab’s die ersten Schwierigkeiten. Daniel entdeckte, daß einer seiner Partner ihn nach Strich und Faden betrog. Es gab fürchterliche Auseinandersetzungen, und das Ganze endete schließlich mit einem Prozeß. Dann wurde meine Mutter krank, und das war natürlich eine große Belastung für uns alle. Nach ihrem Tod nahmen wir meinen Vater zu uns. Ich glaube, es wurde Daniel einfach zuviel. Ich versuchte, mit ihm darüber zu sprechen, aber Daniel war immer schon sehr verschlossen. Wenn ihn etwas bedrückt, schafft er sich das lieber mit Sport von der Seele. Ich blieb dabei natürlich außen vor. Ich war nie sehr sportlich. Er fing an zu joggen und betrieb das mit wahrem Fanatismus. Jeden Tag mußte er laufen. Zuerst wollte er mich überreden, mit ihm zu laufen, aber ich sagte immer, dazu wäre ich zu alt, das Laufen überließe ich lieber den Jungen. War natürlich ein Fehler, nicht?
Dann bekam er von einem früheren Schulfreund ein Angebot, zu ihm in die Praxis zu kommen. Er nahm an. Für uns bedeutete das einen Umzug nach Boston, aber wir glaubten, ein neuer Anfang täte uns gut. Zumindest redeten wir uns das ein.
Wir kauften dieses Haus hier. Wir schafften uns einen Hund an. Die Kinder gingen hier zur Schule und lebten sich gut ein. Alles schien in Butter. Daniel kam mit seinen neuen Partnern gut aus und fühlte sich in seiner Praxis wohl. Er trat in einen Tennis- und in einen Golfclub ein und lief jeden Tag seine Runden. Manchmal nahm er den Hund mit. So lernte er dich kennen. »
»Erzähl«, sagte Jane begierig.
»Also, so weit ich mich erinnere, kam er eines Tages aus der Praxis nach Hause und erklärte, J. R. brauche dringend Bewegung. J. R. ist der Hund - nach dem Kerl aus Dallas genannt, du weißt schon. Na ja, und am Morgen nahm er den Hund mit raus. Aber noch ehe sie richtig losgelaufen waren, verspürte der Hund ein dringendes Bedürfnis und hockte sich zur Verrichtung mitten auf euren Rasen. Daniel stand nur untätig dabei, bis er plötzlich einen mörderischen Schrei hörte. Ich glaub, die ganze Nachbarschaft hat den Schrei gehört.«
»Und das war ich?« fragte Jane betreten.
»>Schaffen Sie gefälligst die Hundescheiße aus meinem Garten!< hast du geschrien. Es war toll, ehrlich. >He, Sie, schaffen Sie die Scheiße aus meinem Garten weg!< Du kamst mit wedelnden Armen aus dem Haus gestürzt. Daniel sagte hinterher, er hätte geglaubt, du würdest auf ihn
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