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Lauf, Jane, Lauf!

Titel: Lauf, Jane, Lauf! Kostenlos Bücher Online Lesen
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Augenblick, Andrew. Andrew! Komm sofort her!«
    An der offenen Tür erschien ein halbwüchsiger, schlaksiger Junge, der anscheinend keinen Augenblick stillstehen konnte. Er wippte, er hüpfte, er schlenkerte mit Armen und Beinen, er vibrierte praktisch von Kopf bis Fuß.
    »Was ist denn noch, Mama? Ich bin sowieso schon spät dran.«
    »Kannst du nicht guten Tag sagen?«
    »Oh - Tag, Mrs. Whittaker. Wie geht’s?«
    »Gut, danke.«
    »Okay, Mama, ich muß los.«
    Er war schon wieder im Flur, als Carole rief: »Moment mal! Du solltest doch mit deinem Großvater einen Spaziergang machen.«
    »Das kann ja Celine tun.«
    Die Haustür wurde geöffnet und zugeschlagen.
    Carole sank resigniert in sich zusammen. »Na klar. Das kann ja Celine tun. Und wo ist die gute Celine? Natürlich nicht da. Sie mußte dringend einen Einkaufsbummel machen und wird nachher viel zu erschöpft sein, um mit ihrem Großvater spazierenzugehen - vorausgesetzt, sie gibt uns überhaupt die Ehre ihres Erscheinens. Hört sich das verbittert an?« Die Frage war nur teilweise rhetorisch.

    »Es hört sich an, als wärst du sehr müde«, sagte Jane.
    Carole lächelte und setzte sich wieder. »Ich nehm’s als Kompliment.«
    »Carole?« Eine dünne Altmännerstimme drang in die kurze Stille. »Carole? Wo bist du?«
    Carole schloß die Augen und legte den Kopf in den Nacken. »Der Nächste, bitte. Ich bin in der Küche, Vater.«
    Jane erkannte den gebrechlich wirkenden alten Mann, der trotz des schmutzigen Hemdes und der schlotternden grauen Flanellhose noch eine gewisse Würde ausstrahlte, gleich wieder. Sie hatte ihn an ihrem ersten Abend zu Hause beobachtet, wie er versucht hatte, aus Caroles Haus zu entfliehen, und sie fühlte sich ihm augenblicklich zugetan. Sie konnte sich genau vorstellen, wie ihm zumute war.
    »Ich hab Hunger«, sagte er. »Was ist mit dem Mittagessen?«
    »Du hast doch eben erst gegessen, Vater«, erinnerte Carole ihn geduldig.
    »Nein«, behauptete er. »Ich hab noch kein Mittagessen gehabt. Du hast mir nichts zu essen gegeben.« Er warf einen argwöhnischen Blick auf Jane, als verdächtige er sie, ihm sein Mittagessen weggegessen zu haben. »Und wer sind Sie?«
    »Das ist Jane Whittaker, Vater. Sie wohnt im Haus gegenüber. Sie ist immer mit Daniel joggen gegangen. Du erinnerst dich doch an sie.«
    »Wenn ich mich erinnern würde, hätte ich nicht gefragt.«
    Logisch, dachte Jane und lächelte. Ihr gefiel Caroles Vater, immerhin schienen sie einiges gemeinsam zu haben.
    »Nimm’s ihm nicht übel«, sagte Carole entschuldigend. »Er ist nicht immer so unhöflich.«
    »Hast du was gesagt?« Caroles Vater stampfte zornig mit dem Fuß auf. Jane fühlte sich an Rumpelstilzchen erinnert. »Wenn du über mich reden willst, dann wär ich dir dankbar, wenn du lauter sprechen würdest.«

    »Wenn du am Gespräch teilnehmen willst, solltest du dein Hörgerät tragen, Vater.«
    »Ich brauche mein Hörgerät nicht. Ich brauch was zu essen.«
    »Du hast gegessen.« Carole deutete auf sein bekleckertes Hemd. »Da ist der Beweis. Und da und da. Ich hab dir doch gesagt, du sollst raufgehen und dir was anderes anziehen.«
    »Wieso? Gibt’s an meiner Kleidung was auszusetzen?«
    Carole hob beide Hände, als säße ihr eine Pistole auf der Brust, und sie hätte beschlossen, sich lieber zu ergeben. »Ganz im Gegenteil. Dicke Flanellhosen und Hemden mit Senfflecken sind diesen Sommer in Boston der letzte Schrei. Stimmt’s, Jane?«
    Jane lächelte mühsam. Senf ist immer noch besser als Blut, dachte sie, den Blick auf den gebeugten alten Mann gerichtet, dessen Haut so grau war, als wäre sie mit einer Staubschicht überzogen.
    Caroles Vater begann zu nicken, als führte er ein Gespräch, das nur er hören konnte. Zerstreut schob er seine Zahnprothese mit der Zunge nach vorn und zog sie wieder zurück, vorwärts und rückwärts im Takt mit dem weinerlichen Lied aus dem Radio, Glen Campbell, der da irgend jemandem nachtrauerte, der auf immer und ewig gegangen war.
    »Bitte hör auf, mit dem Gebiß zu wackeln, Vater.« Carole sah Jane an. »Das tut er nur, um mich zu ärgern.«
    »Wo ist mein Mittagessen?« schimpfte der Alte.
    Carole holte einmal tief Atem und ging zum Kühlschrank. »Was möchtest du haben?«
    »Ein Steak-Sandwich.«
    »Wir haben keine Steaks. Ich kann dir ein Salamibrot machen. Ist dir das recht?«
    »Was hast du gesagt?«
    »Setz dich, Vater.«
    Caroles Vater setzte sich auf einen Stuhl. »Mach ihr auch eins.« Er wies mit dem

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