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Lauf, so schnell du kannst

Lauf, so schnell du kannst

Titel: Lauf, so schnell du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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würde gehen.
    Dare kam wieder die Leiter herauf und trug einen Ast, der etwa einen Meter fünfzig lang und fünf Zentimeter dick war. Um den Stock zu glätten, hatte er alle kleineren Zweige bis auf einen entfernt, den er ein winziges Stück herausragen ließ, damit ihre Hand nicht abrutschte. »Schau mal, wie du damit klarkommst«, sagte er. Sie nahm den Ast, stützte sich darauf und ging ein paar Schritte auf und ab; er war stabil, ohne zu schwer zu sein, und Dare hatte die Länge mit einem guten Augenmaß für ihre Größe bestimmt. Zufrieden grub er schwarzes Isolierband aus der Kiste aus und wickelte es um den Stock, wo ihre Hand saß, sodass sie sich die Handfläche und die Finger nicht an der Rinde aufschürfen würde.
    Aus Neugier fragte sie: »Warum hast du Isolierband hier, wenn es nichts zu isolieren gibt?«
    »Weil der Scheiß an allem klebt – und man weiß nie, wann man es mal brauchen wird. Ich habe eine Schiene für ein gebrochenes Bein aus Ästen und Isolierband gemacht, ich habe Kühlerschläuche, Treibstoffleitungen und so weiter repariert. Es ist zwar nicht perfekt, aber meistens komme ich damit klar.« Während er sprach, lud er fachmännisch sein eigenes Gewehr. »Wir wissen nicht, was aus Krugman geworden ist oder wo er sich aufhält. Er könnte vor uns sein, falls er nicht bei dem Versuch ertrunken ist, einen der Flüsse zu überqueren. Aber man kann nie wissen. Jemand ohne Erfahrung würde wahrscheinlich direkt nach unten gehen. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass wir ihm begegnen werden, wir werden aber trotzdem die Augen offen halten. Hast du alles?«
    »Bis auf die Sachen, die unten sind.«
    Er fing nicht damit an, Gegenstände aufzuzählen und noch mal nachzuprüfen, ob sie sie auch wirklich eingepackt hatte, sondern nickte nur und schwang sich die schweren Satteltaschen über die Schulter, bevor er sich auf den Weg nach unten machte. Mit einem Kloß im Hals wurde ihr klar, dass er darauf vertraute, dass sie wusste, was sie tat. Natürlich wusste
sie,
dass sie wusste, was sie tat, aber dass Dare ihre Sachkenntnis als selbstverständlich betrachtete, sollte schon etwas heißen.
    Sie zog ihren Mantel an, warf den Stock und den Schlafsack zu Dare hinunter, dann schlang sie sich das Gewehr über die Schulter und ging aus eigener Kraft die Leiter hinab, was ein verdammt gutes Gefühl war. Ihr Knöchel war steif, und sie achtete darauf, wie sie ihren Fuß aufstellte. Sie hielt sich für alle Fälle gut an der Leitersprosse fest und stützte sich ab, schaffte es aber ohne Zwischenfall nach unten. Sie packten noch ihre Jogginghosen und die beiden Regenmäntel ein, und dann verließen sie die Hütte, die während der beiden vergangenen Tage ihre Zuflucht gewesen war, und traten in den kalten, klaren Morgen hinaus.
    Chad streckte den Kopf aus dem Zelt und blinzelte in den hellen Sonnenschein. Gestern hatte der verdammte Regen endlich nachgelassen, aber es war zu spät gewesen, um noch aufzubrechen, also hatte er eine weitere Nacht in diesem gottverlassenen Zelt verbringen müssen. Wenn er dem Trommeln des Regens auf der schweren Leinwand noch länger hätte zuhören müssen, wäre er verrückt geworden. Es gab tatsächlich Leute, die gerne jagten und campten, aber das waren Idioten. Er hatte es im vergangenen Jahr nur deshalb getan, weil einer seiner Kunden eine so große Sache daraus gemacht hatte, auf die Jagd zu gehen. Also hatte Chad gedacht, dass er den dummen Bastard beeindrucken und Pluspunkte bei ihm sammeln würde, aber diesen Ausflug hatte er gehasst.
    Andererseits war er so klug gewesen, das Potenzial einer solchen Tour zu erkennen, um sich ein Problem vom Hals zu schaffen, und er war vorbereitet gewesen. Davis war ihm etwas schneller auf die Schliche gekommen, als er erwartet hatte, was ihn ärgerte, aber trotzdem, wären da nicht Faktoren gewesen, die sich seiner Kontrolle entzogen – namentlich Angie, die diese Leiche auf dem Berg gefunden und beschlossen hatte, sofort die Provinzbullen zu verständigen –, wäre alles genauso gelaufen, wie er es geplant hatte.
    Nachdem er an jenem ersten Tag so abgekämpft und erfolglos versucht hatte, von dem Berg runterzukommen, hatte Chad aufgehört zu versuchen, sich den dringend benötigten Schlaf zu versagen. Kein Bär war durch das Lager getapst, Angie war nirgendwo zu sehen – er hatte Todesängste ausgestanden, und alles umsonst. Das war eine Menge verschwendeter Energie. Also hatte er geschlafen, wenn er müde war, gegessen, wenn er

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