Lauf, so schnell du kannst
der Satteltaschen hatte wahrscheinlich gut dicht gehalten, aber alles andere tropfte, auch sein Hut; sie hätten genauso gut hergeschwommen sein können.
Angie hing wieder über seiner Schulter. Sie hatten bei jeder Rast die Position gewechselt, aber das war die Haltung, die für sie die bequemste zu sein schien, vielleicht weil sie für sie nicht so anstrengend war.
Die regelmäßigen Pausen hatten sie immer wieder vor der Unterkühlung bewahrt, aber jedes Mal schien sie ein wenig schwächer geworden zu sein. Seit dem letzten Halt hatte sie einfach nur dort gehangen, schlaff und vollkommen still.
Vor zwei Stunden hatte er beschlossen, dass sie in ihrer Wachsamkeit nachlassen konnten, zumindest so weit, dass er das Gewehr nicht sofort im Anschlag haben musste. Und er hatte es sich über die Schulter hängen und beide Hände benutzen können. Er hatte das Tragen der Taschenlampe übernommen, weil Angie eingedöst war und sie hatte fallen lassen. Sie schreckte jedes Mal aus dem Schlaf auf und entschuldigte sich dann. Aber Tatsache war, dass sie sich fast bis an ihre Grenze getrieben hatte.
Er hätte es nie gedacht, aber jetzt wünschte er sich, sie würde ihm die Hölle heißmachen für alles, was er falsch gemacht hatte: Dafür, dass er das Pferd verloren hatte, dass er sie nicht früher gefunden hatte, dass er nicht in ihrem Camp erschienen war, um ihre Kunden wissen zu lassen, dass sie nicht allein war. Die beiden letzten Punkte wären zwar nicht fair, aber er scherte sich im Moment nicht um Fairness, er wollte nur, dass sie wach war und Feuer spuckte. Er wollte, dass sie sich über alles beschwerte, was er tat. Er mochte es nicht, wenn sie schwieg.
Lasst sie reden.
So hatte er es mit verwundeten Männern versucht, aber Angie hatte vor einer halben Meile aufgehört, ihm zu antworten. Sie war traumatisiert, unterkühlt, stand wahrscheinlich unter Schock. Er hatte auf die letzte Ruhephase verzichtet, weil es ihm wichtiger erschienen war, sie ins Trockene zu bringen, als zehn Minuten auszuruhen.
Da es nichts gab, das ihn ablenkte, hatte er begonnen, über Dinge nachzudenken, über die er eigentlich nicht nachdenken wollte. Die Ereignisse, die sie beschrieben hatte, waren schlimm genug, aber er konnte nicht umhin, zu denken, dass vielleicht noch mehr hinter der Geschichte steckte und sie ihm nicht alles erzählt hatte. Er hatte mit Harlan über die Gefahren gesprochen, die eine Frau einging, wenn sie zwei Männer führte, vor allem solche Männer wie Davis und Krugman, die Bastarde.
War sie vergewaltigt worden? Das ergab keinen Sinn, nicht mit dem Szenario, das sie beschrieben hatte, aber andererseits konnte er sich nicht sicher sein, dass ihre Version des Vorfalls vollständig gewesen war. Gab es da vielleicht noch etwas, das sie ihm nicht erzählt hatte?
Er hatte schon lange niemanden mehr töten wollen, aber in diesem Moment hätte er Krugman mit Freuden eine Kugel verpasst.
Während des ganzen langen Marsches hatte er nicht nur nach einem bewaffneten Mann und einem Killerbären Ausschau gehalten, er hatte auch nach seinem verdammten Pferd gesucht. Für eine Weile hatte er gehofft, dass der Buckskin den Weg zurück zu ihm oder vielleicht zu der Hütte finden würde. Pferde waren Herdentiere; sie waren nicht gern allein. Aber da war keine Spur von dem Tier gewesen, und obwohl er jetzt das Gebäude vor sich erkennen konnte, gab es von dem Pferd immer noch nichts zu sehen.
Hol’s der Teufel, er würde dieses verdammte Pferd vielleicht nie wiederfinden. Wenn es nicht in der Lage war, den Weg hierher zu finden – unwahrscheinlich, wenn man bedachte, dass es zum ersten Mal hier gewesen war und es mit dem Gelände nicht vertraut war –, dann würden sie den Berg eben zu Fuß hinabsteigen müssen. Er zumindest. Wenn Angies Knöchel gebrochen war, würde sie hierbleiben müssen, während er Hilfe holte. Wenn das verdammte dämliche Pferd nicht weggerannt wäre, hätte er mit dem Satellitentelefon Hilfe rufen können.
Stattdessen war er hier oben mit einem Mörder, einem Killerbären, einer verletzten Frau und ohne einen einfachen Ausweg. So wie sie immer tiefer in die Scheiße hineingeraten waren, überraschte es ihn wirklich, dass sie
nicht
auch noch von einem Blitz getroffen worden waren; das war so ziemlich das Einzige, was nicht passiert war. Natürlich hätte ein Blitzschlag all seine Sorgen über den anderen Kram weggewischt.
Dare konnte sich gut konzentrieren. Nachdem er sich eine kurze Atempause
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