Lauf, so schnell du kannst
die verschiedenen Möglichkeiten durch, wie er sie dort hinaufbekommen konnte, stellte sich jede einzelne bildlich vor. Huckepack wäre für ihn am einfachsten, aber er dachte nicht, dass sie noch genug Kraft hatte, um sich festzuhalten, daher fiel das aus. Sie vor sich zu stellen und sie im Wesentlichen nach oben zu schieben würde zu viel Anstrengung von ihrer Seite verlangen, und im Moment fehlte ihr dazu wahrscheinlich ohnehin die Kraft. So blieb nur eine Methode übrig. Er nahm den Hut ab und warf ihn neben ihre Satteltaschen auf den Boden. »Noch einmal über meine Schulter.«
Sie sagte nichts. Er holte tief Luft, nahm seine eigene Kraft zusammen, dann fasste er sie um die Taille, warf sie in Position und stieg die Leiter hinauf. Er ließ es ruhig und stetig angehen, denn er wollte nicht, dass sie auf den Kopf fiel. Es war ein weiter Weg bis nach oben – vierzehn Sprossen, um genau zu sein. Er musste sie mit dem linken Arm festhalten und die rechte Hand zum Klettern benutzen, während er sie gleichzeitig von der Leiter weghielt, damit sie sich nicht den Knöchel stieß.
Die beiden letzten Sprossen und dann die Bewegung, um von der Leiter auf die Schlafplattform zu treten, waren am heikelsten. Er musste sein Gleichgewicht verlagern und bückte sich nach unten, um sich abzustützen, statt nach etwas auf Augenhöhe zu greifen. Er war diese Leiter Hunderte von Malen hinaufgegangen, ohne auch nur einen einzigen Gedanken daran zu verschwenden, aber mit Angie über der Schulter dachte er über jede Bewegung nach, stellte sicher, dass es die richtige war, und führte sie dann vorsichtig aus. Er war zu müde, um irgendetwas für selbstverständlich zu nehmen, nicht mal das Muskelgedächtnis.
Als er sicher auf der Schlafplattform stand, ließ er sie von der Schulter gleiten und hielt sie fest; wenn er sie nicht festhielte, würde sie auf dem Boden zusammenbrechen. Ihre Knie gaben nach, und es war nicht nur ihr Knöchel, es war die schiere Erschöpfung.
Er führte ihre Hand zu einer der Trennwände. »Halt dich einen Moment fest. Kannst du das?«
Sie nickte stumm.
So schnell wie möglich zog er ihr den durchweichten Mantel aus und ließ ihn auf den Boden fallen, dann öffnete er die Druckknöpfe und den Reißverschluss ihrer Regenjacke und warf auch sie beiseite. Da er schon mal dabei war, zog er seine eigenen Mäntel aus. Es war nicht warm in der Hütte, aber sie mussten trocken sein, bevor ihnen warm werden konnte.
Er betrat die Schlafstelle, in der er seine Matratze und seinen Schlafsack ausgebreitet hatte, und schaltete den kleinen Propangasheizer, den er mitgebracht hatte, und auch die LED -Laterne an. Das grellweiße Licht, das den engen Raum erhellte, ähnelte auf unheimliche und unangenehme Weise den Blitzen, wenn auch ohne das Drama. Für einen kurzen Moment sah Angie verängstigt aus, dann wich die Angst einem Ausdruck tiefer Müdigkeit.
»Okay, machen wir es dir bequemer«, sagte er, während er den Schlafsack von der Matratze warf, damit er nicht nass wurde. Dann ging er zu ihr zurück und verschwendete keine Zeit damit, ihr zu helfen, zu dem Bett zu hüpfen; er hob sie einfach hoch und trug sie das kurze Stück, bevor er auf ein Knie niederging, um sie hinzulegen und ihren rechten Fuß behutsam auf die Matratze sinken zu lassen. Sie schauderte, dann seufzte sie und schloss die Augen.
»Danke«, sagte sie und vernuschelte dieses eine Wort.
»Ich werde unsere Sachen holen und hier raufbringen. Ich bin gleich wieder da.«
Diesmal antwortete sie nicht. Dare brauchte keine Minute, um die Leiter hinunterzusteigen und wieder heraufzukommen, und brachte alles mit, selbst Angies schlammiges Gewehr. Nachdem er die Sachen auf dem Boden abgeladen hatte, zog er die Leiter hoch und legte sie neben die Öffnung, sodass die Schlafplattform für Mensch und Tier unzugänglich war.
Angie hatte sich nicht mehr bewegt, seit er sie auf die Matratze gelegt hatte; es sah aus, als wäre sie sofort in einen tiefen Schlaf gefallen … einen Schlaf, in dem sie immer noch zitterte und bebte.
Er hasste es, sie zu wecken, aber er hatte keine Wahl. »Komm schon, Dornröschen, wach auf«, sagte er, während er die Kleider und Vorräte, die er brauchen würde, hervorzog. »Wir müssen dich aus diesen nassen Sachen rausholen.«
Irgendetwas konnte hier absolut nicht stimmen, da er diesen Satz von ihr hören wollte:
»Du träumst wohl! Lieber sterbe ich an Unterkühlung, als dass du mich nackt siehst.«
Aber sie sagte es nicht
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