Lauf, wenn du kannst
ohnehin hätte kümmern müssen. Also haben Sie mir gewissermaßen einen Dienst erwiesen. Vielen Dank.«
»Für ihre Dankbarkeit kann ich mir nichts kaufen«, erwiderte Mr Bosu mürrisch. »Ich will das Geld!«
»Und ich verständige jetzt die Polizei«, gab Richter Gagnon aalglatt zurück. »Ich werde melden, ein verurteilter Sexualverbrecher hätte meinen Enkel entführt. Damit werde ich Ihnen jeden FBI-Agenten, Staatspolizisten und bescheuerten Ortssheriff auf den Hals hetzen. An Ihrer Stelle würde ich mich schleunigst aus dem Staub machen, Mr Bosu. Sie haben nicht mehr viel Zeit
Ein Klicken, und die Leitung war tot. Mr Bosu saß da wie vom Donner gerührt. Was zum Teufel war das gerade gewesen?
Mr Bosu stieg aus. Nathan auf dem Beifahrersitz und die Blutflecke auf seinen Kleidern waren für den Moment vergessen. Er eilte zur Eingangstür des Hauses und hämmerte mit aller Kraft dagegen. Nichts.
Das Haus war leer. Niemand da. Unbewohnt. Frei nach dem Motto, dass die Ratten das sinkende Schiff stets als Erste verließen.
Mr Bosus Atem ging keuchend. Die Schnittwunde an seinem Unterarm pochte. Außerdem wurde ihm allmählich übel.
Er nahm sich ein wenig Zeit, um lange und gründlich nachzudenken.
Also war dem Richter seine eigene Haut offenbar am nächsten.
Genug war genug. Mr Bosu war stinksauer. Inzwischen war das Geld für ihn nebensächlich. Es ging ums Prinzip. Mr Bosu kehrte zu Robinsons Wagen zurück. Der Junge saß auf dem Beifahrersitz und kraulte Tricksters Ohren. »Sag mal, hat dein Großvater vielleicht ein Ferienhaus?«, fragte Mr Bosu wie beiläufig.
Der Junge zuckte nur die Schultern.
»Oder gibt es einen Ort, wo er besonders gern hinfährt? Du weißt schon, so was wie ein Geheimversteck?«
Wieder ein Schulterzucken.
Mr Bosu verlor die Geduld. »Nathan«, sagte er streng. »Ich soll dich zu deinem Großvater zurückbringen. Möchtest du ihn denn nicht sehen?«
»Schon.« – »Und wo zum Teufel ist er?«
Der Junge sah ihn an. »Im Hotel LeRoux«, antwortete er wie aus der Pistole geschossen.
Mr Bosu schmunzelte und ließ den Motor an. »Nathan«, meinte er ernst. »Wenn es so weit ist, werde ich dafür sorgen, dass du nichts spürst.«
38
Ich verstehe das nicht«, sagte Catherine. »Denken Sie, mein Schwiegervater hat Umbrio beauftragt?«
»Durch eine Vermittlerin, Colleen Robinson, die alles arrangiert hat. Umbrio wurde begnadigt und hat sich als Gegenleistung bereit erklärt, einige Aufträge für ihn zu erledigen.«
»Und warum lebe ich dann noch?«
»Weil Ihr Tod ihm weniger nützt, als wenn er Ihren Ruf ruiniert.«
»Wie bitte?« Sie blinzelte.
»Der Richter hasst Sie. Und zwar wegen Jimmys Tod und weil Sie in die Familie eingeheiratet haben. Aber am meisten hasst er Sie vermutlich wegen Nathan. Solange Sie Druck wegen Nathans Gesundheit machen, besteht nämlich die Gefahr, dass Sie sein und Maryannes Geheimnis enthüllen.«
»Wenn ich tot wäre, wäre ich doch keine Bedrohung mehr.«
»Nein. Aber da gab es ja noch Dr. Rocco. Und vielleicht auch Ihren Vater. Die Möglichkeit bleibt bestehen, dass jemand wegen Nathans schlechten Gesundheitszustands Verdacht schöpft. Außer natürlich, man bringt eine glaubhafte Erklärung in Umlauf, warum Nathan ständig krank ist.«
»Nämlich, dass ich ihn vergifte«, ergänzte sie. »Und dass ich eine schlechte Mutter bin.«
»Genau.«
»Aber wenn er tatsächlich das Sorgerecht für Nathan bekommt ...«, sie runzelte die Stirn, »... würde es doch Argwohn erregen, wenn der Junge nicht auf wundersame Weise schlagartig wieder gesund wird.«
»Ich denke nicht, dass er Richter vorhat, abzuwarten, bis dieses Problem auftritt«, meinte Bobby leise.
»Trauen Sie ihm etwa zu, dass er seinem eigenen Enkel etwas antut?«
»Ich glaube«, entgegnete Bobby mit finsterer Miene, »dass er bereits seinen eigenen Sohn getötet hat.«
Wie sich herausstellte, war ein Luxushotel fast so gut abgesichert wie eine Festung. Mr Bosu übergab seinen Wagen einem Parkwächter und spazierte dann, Nathan und sogar Trickster im Schlepptau, in die Hotelhalle, denn wer hätte einem niedlichen kleinen Jungen und seinem Welpen etwas abschlagen können?
Allerdings war er damit noch längst nicht am Ziel. Er wusste nämlich nicht, welches Zimmer der Richter bewohnte, und die hübsche junge Angestellte am Empfang war zwar höflich, beharrte aber darauf, dass es gegen die Vorschriften des Hotels verstieße, derartige Informationen preiszugeben. Sie
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