Lauf, wenn du kannst
fangen wir an?«, fragte Catherine.
»Im Haus Ihres Vaters.«
»Glauben Sie ...«
»Bestimmt geht es Nathan gut«, wich er aus.
Sie schenkte ihm ein zittriges Lächeln, doch in ihren Augenwinkeln standen bereits die ersten Tränen. »Mein Vater und ich haben uns immer nur gestritten«, sagte sie leise. Dann wandte sie den Kopf ab und begann zu weinen.
Von außen schien in Frank Millers Haus alles ruhig zu sein. Die Tür war geschlossen, die Jalousien waren heruntergelassen. Nichts rührte sich. Bobby fuhr einmal vorbei, konnte nirgendwo einen Polizisten entdecken und umrundete einmal den Häuserblock.
Nachdem er an der Ecke gehalten hatte, übergab er Catherine das Steuer. »Wenn Sie ihn sehen«, wies er sie an, wobei klar war, wen er damit meinte, »treten Sie aufs Gas und verschwinden.«
»Und wenn er Nathan in seiner Gewalt hat?«
»Dann geben Sie ebenfalls Gas, und versuchen Sie, Umbrios Kniescheiben zu erwischen. Sobald er zu Boden geht, schnappen Sie sich Ihren Sohn.«
Dieser Vorschlag gefiel ihr offenbar, denn ihre Wangen röteten sich, und ihre Augen begannen zu funkeln. Während sie mit entschlossener Miene das Steuer übernahm, überprüfte Bobby noch einmal die Pistole, die sein Vater ihm gegeben hatte, und machte sich dann auf den Weg.
Die Vordertür war nicht verschlossen. Ein erstes Warnzeichen. Als er ins Wohnzimmer kam, verriet ihm der schwere, rostige Geruch den Rest. Sicherheitshalber suchte er das gesamte Haus ab, fand es aber leer vor. Umbrio war gekommen und gegangen und hatte nichts als eine Leiche zurückgelassen.
Bobby brachte es nicht über sich, einen genaueren Blick auf Catherines Vater zu werfen. Das graue Haar und die verkrümmt auf dem Boden liegende Gestalt erinnerten ihn zu sehr an Pop. Er bemerkte das Gewehr auf dem Boden, hob es auf und entdeckte in der offenen Besenkammer eine Schachtel mit Munition. Der Mann hatte Widerstand geleistet und versucht, seinen Enkel zu verteidigen.
Das würde er Catherine sagen, damit sie in den kommenden Tagen wenigstens einen Trost hatte.
Das Gewehr in der Hand, trat Bobby wieder aus dem Haus und eilte zurück zum Auto. Dabei spürte er, wie die Zeit ihm im Nacken saß. Umbrio hatte Nathan inzwischen seit einer knappen Stunde in seiner Gewalt. Fast sechzig lange Minuten. Schwer zu sagen, was einem Mann wie ihm in dieser Zeit so alles einfallen konnte.
Allerdings glaubte Bobby nicht, dass Umbrio den Jungen umgebracht hatte – zumindest noch nicht. Wenn das sein Plan gewesen wäre, hätte Bobby Nathans Leiche neben der seines Großvaters gefunden. Nein, was Nathan betraf, hatte Umbrio andere Absichten.
Und dieser Gedanke ließ Bobby bis ins Mark erschaudern. Auf dem Weg zum Auto wählte er die Nummer der Polizei. »Leichenfund, männlich, eindeutig Mord«, meldete er und ratterte dann die Adresse hinunter. Als die Telefonistin ihn bat zu warten, klappte er das Telefon zu, öffnete die Wagentür und rutschte auf den Beifahrersitz.
Catherine warf einen Blick auf das Gewehr und dann auf sein Gesicht.
Sie erbleichte und musste kurz um Fassung ringen. »Was ist mit Nathan?«
»Keine Spur von ihm. Ich bin sicher, dass ihm noch nichts passiert ist.«
»Gut«, erwiderte sie, aber man merkte ihrer Stimme an, unter welchem Druck sie stand und welche Mühe es sie kostete, sich zu beherrschen. Zittrig schnappte sie nach Luft. »Wohin?«
»Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir das Problem an der Wurzel anpacken.«
»Walpole?«
»Nein, Ihr Schwiegervater.«
Mr Bosu war ausgesprochen zufrieden mit sich. Er parkte vor der Prachtvilla der Gagnons - die Adresse hatte er Colleens Unterlagen entnommen - am Randstein und erwartete eigentlich, dass der Richter nun anfangen würde, über Bedingungen zu verhandeln.
Doch stattdessen hörte er nur ein Kichern am Telefon. »Lassen Sie mich eines klarstellen«, sagte der Richter dann. »Sie verlangen also zweihundertfünfzigtausend Dollar von mir. Und was wollen Sie tun, wenn Sie die nicht kriegen?«
Mr Bosu warf einen Blick auf den Jungen. Seltsamerweise gelang es ihm nicht, die Worte auszusprechen, solange der Kleine neben ihm saß.
»Ich denke, das wissen wir beide«, entgegnete er deshalb gestelzt, spähte mit finsterer Miene aus dem Fenster und betrachtete das Haus. Es wirkte verlassen. Unbewohnt. Bei Mr Bosu regten sich die ersten Zweifel.
»Tun Sie sich keinen Zwang an.«
»Was?«
»Sie haben mich sehr wohl verstanden. Der Junge ist ein Problem, um das ich mich früher oder später
Weitere Kostenlose Bücher