Lauf, wenn du kannst
könne Richter Gagnon für ihn anrufen und die Gäste bei ihm anmelden. Doch ohne die Erlaubnis des Richters dürfe sie die Besucher nicht zu ihm vorlassen.
Außerdem war Mr Bosu inzwischen auf eine weitere Schwierigkeiten gestoßen. Laut Aussage des Jungen hatte der Richter davon gesprochen, dass er eine Luxussuite in dem Hotel gemietet habe. Das hieß, dass nur eine der oberen Etagen in Frage kam, und um diese zu erreichen, brauchte man eine besondere Chipkarte für den Aufzug. Falls der Richter wirklich eine Penthouse-Suite bewohnte, hatte Mr Bosu also kaum eine Chance, zu ihm vorzudringen.
Es war zum aus der Haut fahren. Ein schier unlösbares Problem, und Mr Bosu war inzwischen ziemlich müde. Plötzlich vermisste er sein hübsches sauberes Bett im Hampton Inn. Verdammt, er wäre sogar mit seiner Gefängnispritsche zufrieden gewesen.
Mr Bosu ging mit dem Jungen nach draußen, wo er sich noch eine Dose Red Bull genehmigte und die Lage überdachte. Der Blutfleck an seinem Hemd störte ihn ebenso wie der argwöhnische Blick des schnippischen Portiers. Eigentlich ging ihm die ganze gottverdammte Welt auf die Nerven.
Und dann hatte Mr Bosu eine Idee.
Er kippte seinen Red Bull hinunter und schob Nathan zurück in die Hotelhalle, direkt zur Rezeption.
»Das hier ist Nathan Gagnon, der Enkel von Richter Gagnon«, verkündete er so liebenswürdig wie möglich. »Wenn Sie oben anrufen, werden Sie erfahren, dass der Richter ihn erwartet. Leider habe ich mich ziemlich schwer geschnitten ...« – Mr Bosu hielt kurz seinen blutigen Arm hoch – »... und müsste dringend zum Arzt. Könnte vielleicht jemand von Ihnen Nathan nach oben zu seinen Großeltern bringen? Sicher wäre es ihnen lieber, wenn der Junge nicht allein gelassen würde.«
Die Empfangsdame lächelte ihn an. »Selbstverständlich. Einen Moment, Sir.«
Sie wählte die Nummer des Zimmers. Mr Bosu hielt den Atem an. Der Richter konnte sich schlecht weigern, seinen Enkel zu empfangen, insbesondere dann nicht, wenn der Junge ohne ihn nach oben kam.
»Mrs Gagnon?«, flötete die Empfangsdame. Mr Bosu atmete auf. Die Frau. Ausgezeichnet. »Ja, wir haben einen netten jungen Mann hier, Nathan Gagnon ... Ja, Ihren Enkel. Wirklich ein hübscher Junge. Wir schicken ihn gleich mit einem Pagen nach oben. Wissen Sie, dass Nathan einen kleinen Hund hat? Kein Problem, Ma’am. Sie müssten nur ein Formular ausfüllen. Wunderbar. Dann gebe ich es dem Pagen gleich mit. Danke.«
Immer noch ein fröhliches Lächeln auf dem Gesicht, legte die Empfangsdame auf. »Mrs Gagnon freut sich schon sehr auf ihren Enkel. Wenn Sie jetzt gehen möchten, Sir, übernehmen wir den Rest.«
Mr Bosu bedankte sich höflich bei der Frau und schüttelte Nathan sogar die Hand. »Schön, dass ich dich zu deinen Großeltern bringen konnte. Der Welpe heißt übrigens Trickster. Deine Mom wollte dich mit ihm überraschen.«
»Mommy?«, fragte der Junge voller Hoffnung.
»Vertrau mir, du wirst bald wieder bei ihr sein.«
Das schien den Jungen zu beschwichtigen, und er nickte heftig. Trickster drückte er fest an seine Brust. Dann erschien der Page und bewunderte den hübschen Jungen und den niedlichen Hund, und alles war geregelt.
Sie steuerten auf den Aufzug zu. »Die Penthouse-Suite«, meinte der Page zu Nathan. »Die Bude ist größer als meine ganze Wohnung. Dir gefällt es bestimmt dort.«
Die Aufzugtüren öffneten sich. Mr Bosu drehte sich um. Die Empfangsdame war mit einem anderen Gast beschäftigt, die Aufmerksamkeit des Pagen galt Nathan.
Mr Bosu stürmte zur Treppe und hastete mit polternden Schritten zwei Stockwerke hinauf, wobei er zwei Stufen auf einmal nahm. In der zweiten Etage sprang er auf den – zum Glück menschenleeren – Flur hinaus und drückte heftig auf den Aufzugknopf. Der Fahrstuhl stoppte sofort. Die Türen öffneten sich. Offenbar war der Page erstaunt, Mr Bosu vor sich zu sehen.
»Waren Sie nicht gerade noch in der Halle ...«
Mr Bosu packte den jungen Mann am Hemd und zerrte ihn auf den Flur hinaus. Ein kurzer Ruck, und der Page sackte in sich zusammen. Mr Bosu schnappte sich die Jacke des Mannes und suchte nach dem Generalschlüssel – eine Karte, die ihm an einer Kette um den Hals hing – und trat in den Aufzug.
Nathan starrte ihn aus ernsten, weit aufgerissenen Augen an.
»Meine Mommy hat mich vor Männern wie dir gewarnt«, sagte der Junge.
Mr Bosu grinste wölfisch. »Ja, das kann ich mir denken.«
Bei ihrer Ankunft im Hotel LeRoux
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