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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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selbst und den verschiedenen Kindermädchen über Nathans Essgewohnheiten gesprochen. Die Antworten haben mir versichert, dass der Junge in ausreichender Menge Lebensmittel erhält und ausgewogen ernährt wird. Doch letztlich bin ich nur der Arzt.«
    »Also könnte er ein Misshandlungsopfer sein?«
    »Es ist möglich«, gab Dr. Rocco ungeduldig zurück. »Allerdings halte ich es nicht für wahrscheinlich. Und dasselbe habe ich auch Jimmys Privatdetektiv erklärt. Aber es spielte sowieso keine Rolle mehr. Meine Beziehung mit Catherine endete, sie hat sich mit Jimmy versöhnt, und plötzlich war Schluss mit der Fragerei. Denn allein darum ging es Jimmy. Er wollte Catherine unmissverständlich klar machen, dass sie sich von ihrem Sohn verabschieden müsste und Bekanntschaft mit der Strafjustiz machen würde, falls sie ihn verlassen sollte. Als Catherine zu mir ins Büro kam, um mir zu sagen, dass sie sich von mir trennen wollte, konnte sie kaum aufrecht gehen. Ich habe es schon einmal gesagt, Officer Dodge: Meiner Ansicht nach haben Sie richtig gehandelt.«
    Bobby musterte ihn argwöhnisch. »Meinen Sie, dass Nathan sich jetzt wie durch ein Wunder erholen wird?«
    »Reine Ahnung. Und ehrlich gesagt bin ich auch nicht mehr dafür verantwortlich. Heute Morgen habe ich meine Rolle als Nathans behandelnder Arzt nämlich offiziell an Dr. Iorfino übertragen, und zwar auf Anweisung von Dr. Gerritsen, dem Leiter der Kinderklinik.«
    »Sie wurden als Nathans Arzt gefeuert?«, verwunderte sich Bobby. »Von Ihrem eigenen Chef?«
    »Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viel Macht Richter Gagnon hat«, erwiderte Dr. Rocco leise. Dann breitete sich ein seltsames Lächeln auf seinem Gesicht aus. »Aber keine Angst, Officer, ich bin nicht so hilflos, wie Sie glauben. Dr. Iorfino ist Genetikspezialist. Sie mögen es als Bauchgefühl bezeichnen, doch ich denke, dass ich zuletzt lachen werde.«

10
     
    Als Bobby das Krankenhaus verließ, bemerkte er Schritte hinter sich. Die Hände fest in den Taschen, ging er schneller und senkte den Kopf, als starre er auf den Gehweg. In Wirklichkeit jedoch gestattete ihm dieser Winkel einen Blick auf den Fußgänger hinter sich. Elegante Lederschuhe, schwarz und hoch glänzend, dachte er. Von der Sorte, die sein Vater Zuhälterschuhe nannte.
    Scharf bog er nach links ab und konnte einen besseren Blick auf seinen Verfolger erhaschen, als dieser, ein wenig verspätet, kehrt machte. Langer Trenchcoat, beige, gut geschnitten, schwarze Anzughose, ordentliche Aufschläge. Anwalt, sagte sich Bobby. Und plötzlich ...
    Er blieb ruckartig stehen, presste sich mit dem Rücken an ein Schaufenster und überrumpelte seinen Verfolger. Der Mann – älter, kräftig gebaut, schütteres, ordentlich gekämmtes braungraues Haar, das den oberen Rand seiner Ohren berührte – stoppte sofort, hielt die Hände hoch und setzte ein strahlendes Lächeln auf.
    »Ach, da haben Sie mich wohl erwischt.«
    »Und jetzt kommt die Stelle, an der ich Ihnen einen kräftigen Schubs gebe.« Bobby machte drohend einen Schritt auf den Mann zu, aber dieser schmunzelte nur.
    »Was haben Sie vor, Officer Dodge? Mich auf offener Straße und in Gegenwart von Zeugen anzugreifen? Wir beide wissen, dass uns Konfrontationen Mann gegen Mann nicht liegen. Aber wenn man Ihnen natürlich ein Gewehr, fünfzig Meter Entfernung und ein dunkles Zimmer gibt ...«
    Bobby packte den Mann am Revers. Drei Passanten, die die Auseinandersetzung beobachteten, traten hastig den Rückzug an. »Sie können es ja drauf ankommen lassen«, sagte er.
    »Aber Bobby ...«
    »Wer zum Teufel sind Sie?«
    »Ein Freund.«
    »Gut, Freund, ich gebe Ihnen dreißig Sekunden, um den Mund aufzumachen. Wenn nicht, setzt es was.«
    Der Mann lachte ängstlich auf und erweckte nicht den Eindruck, als würde er noch einmal riskieren, Bobbys Warnungen in den Wind zu schlagen. »Ich wollte nur mit Ihnen reden«, meinte der Mann.
    »Warum?«
    »Weil ich Dinge weiß, die Sie hören sollten.«
    »Anwalt?«
    »Privatdetektiv.«
    »Für wen?«
    »Ach, kommen Sie, Bobby. Sie wissen genau, für wen.« Bobby überlegte, und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen. »James Gagnon.«
    »Genau genommen Maryanne Gagnon. Offiziell ist sie diejenige, die Anklage erhebt. Übrigens heiße ich Harris.« Der Mann hielt ihm die Hand hin, aber Bobby achtete nicht darauf. »Harris Reed von der Detektei Reed und Wagner. Haben Sie schon mal von uns gehört?«
    »Noch nie.«
    »Jetzt sind wir quitt.

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