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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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Susan?«
    »Keine Ahnung. Woher soll ich denn wissen, wo Susan ist?«
    »Ist sie einfach gegangen?«
    »Nicht wirklich.« Er seufzte auf und holte tief Luft. »Ich habe mich verdrückt.«
    »Sie haben sich kommentarlos aus dem Staub gemacht?
    Moment mal. Sie haben also mit Ihrer Freundin nicht über die Schießerei gesprochen?«
    »Nein.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Schwachsinn.« Das hatte sie tatsächlich gesagt. Er zuckte zusammen. »Sie sind ein kluger Mann, Bobby Dodge. Klüger, als Sie uns weismachen wollen. Sie tun nichts ohne Grund. Warum also haben Sie nicht mit Susan über das Problem geredet? Ist es Ihnen egal?«
    »Ich weiß nicht.« Er hielt inne. Sie hatte Recht, er wusste es genau. »Ich dachte, sie würde schockiert sein. In Susans Welt sind Polizisten die Guten, die uns vor Bösewichten beschützen. In Susans Welt pusten Polizisten einem Mann nicht einfach die Rübe weg.«
    »Sie glaubten, sie würde damit überfordert sein.«
    »Ich war ganz sicher.«
    »Wie gönnerhaft von Ihnen.«
    »Sie wollten ja unbedingt, dass ich antworte.«
    »Stimmt. Und Sie haben absolut Unrecht, nur damit Sie es wissen.«
    Er fuhr hoch. »Was sind Sie denn für eine Ärztin?«
    »Bobby, ich werde Sie jetzt etwas fragen, und ich möchte, dass Sie zuerst gründlich darüber nachdenken. Sie sollen gut überlegen, bevor Sie etwas sagen. Ist es Susans Welt, in der Polizisten immer die Guten sind, oder doch eher die von Bobby? Ist es Susans Welt, in der Polizisten anderen Leuten nicht die Rübe wegpusten, oder ist es die von Bobby? Sie haben vorhin gesagt, Sie wären wütend. Aber könnte es nicht sein, dass Sie Angst haben, Bobby?«
    Bobby starrte auf den Teppich. Er schwieg.
    »Sie haben jetzt schon einige Male wiederholt, dass Sie Jimmy Gagnon in Gegenwart seines Sohnes erschossen haben. Offenbar macht Ihnen das wirklich zu schaffen. Mit welcher Person in diesem Szenario identifizieren Sie sich? Bestürzt es Sie, dass der mächtige Vater vor den Augen seines Kindes gestorben ist? Oder leiden Sie mit dem hilflosen Kind, das mit ansehen musste, wie ein geliebter Mensch ums Leben kam?«
    Bobbys Blick blieb weiter auf den Teppich gerichtet.
    »Bobby?«, hakte sie nach.
    Endlich hob er den Kopf. »Ich glaube, ich möchte nicht mehr darüber sprechen«, erwiderte er.
     
    Erst als er bereits seine Jacke trug und dabei war, sich den Schal umzuwickeln, ergriff er wieder das Wort. »Meinen Sie, Richter Gagnon könnte Recht haben?«
    Elizabeth saß auf der Kante des Empfangstischs, sah ihrem Patienten beim Anziehen zu und fühlte sich ratlos. »Ich habe keine Ahnung.«
    »Schwer vorstellbar, dass eine Frau ihrem eigenen Kind wehtut, nur um Aufmerksamkeit zu bekommen.«
    »Das Münchhausen-Stellvertretersyndrom tritt ziemlich selten auf. Allerdings habe ich gelesen, dass es bis zu zwölfhundert neue Fälle pro Jahr gibt.«
    »Wie sehen die Warnsignale aus?«
    »Ein Kind, das schon viele Jahre lang an einer seltenen Krankheit leidet, ohne dass die Symptome so richtig zusammenpassen. Ein Kind, dessen Gesundheitszustand über einen längeren Zeitraum hinweg ein zyklisches Muster aufweist, das heißt, dass es in einer Woche putzmunter und in der nächsten wieder sterbenskrank ist. Eine Familie, in der es wiederholt zu Fällen von plötzlichem Kindstod gekommen ist.«
    »Ich habe heute mit dem Arzt von Nathan Gagnon gesprochen«, sagte Bobby unvermittelt. »Er konnte bei dem Jungen nichts Konkretes feststellen. Obwohl er wirklich alles versucht hat.«
    Elizabeth schwieg eine Weile. »Hielten Sie das für eine gute Idee?«, fragte sie schließlich.
    Bobby bedachte sie mit einem bedeutungsschwangeren Blick.
    »Ich war dort. Ob es eine gute Idee war oder nicht, ist nicht länger wichtig.«
    »Was haben Sie vor, Bobby?«
    »Ich ziehe meinen Schal an. Es ist kalt da draußen, wissen Sie?«
    »Sie wissen genau, was ich meine.«
    »Die Gagnons wollen mich wegen Mordes vor Gericht bringen. Hat man Ihnen das nicht erzählt? Sie haben irgendeinen komplizierten juristischen Trick gefunden, um mich zu belangen, weil ich angeblich ihren Sohn getötet habe. Offen gestanden, Doc, glaube ich, dass gute oder schlechte Ideen im Moment nicht mein Problem sind.«
    »Es muss sehr schwierig sein, wegen Mordes angeklagt zu werden.«
    »Ach, wirklich?«
    Sie weigerte sich, auf seinen Sarkasmus einzugehen. »Bobby, das was Donnerstagnacht geschehen ist, war eine schreckliche Tragödie. Für Sie. Für die Gagnons. Für den kleinen Nathan. Meinen Sie

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