Lauf, wenn du kannst
mit ihm zurechtkommt.«
»Warum? Was wollte er von Ihnen? Was hat er Sie gefragt?« Mit vorgeschobenem Kiefer beugte Bobby sich über den Schreibtisch. Seine Armmuskeln traten hervor. Er war außer sich vor Wut und wusste, dass ihm das ins Gesicht geschrieben stand.
Elizabeth musterte ihn gelassen. »Ich habe gestern Abend mit Richter Gagnon telefoniert. Mit seiner Erlaubnis werde ich Sie über den Inhalt unseres Gesprächs informieren. Allerdings muss ich Sie warnen, denn ich glaube nicht, dass es Sie weiterbringen wird.«
»Raus mit der Sprache!«
»Nur, wenn Sie sich wieder setzen. Sonst bekommen Sie kein Wort mehr aus mir heraus.«
»So reden Sie schon!«
»Officer Dodge, nehmen Sie bitte Platz.«
Ihrer Miene war nichts zu entnehmen. Nach einer Weile hob Bobby widerstrebend die Hände vom Schreibtisch, setzte sich, griff nach der Coladose und ließ sie zwischen den Fingern kreisen. Er spürte ein leichtes Flattern in der Brust. Atemnot. Panik. Verdammt, er hatte es satt, sich zu fühlen, als sei die Welt im Begriff, ihm zu entgleiten.
»Richter Gagnon hatte meinen Namen von einem Kollegen. Er interessierte sich für ein bestimmtes psychologisches Phänomen. Vielleicht haben Sie ja schon einmal davon gehört: das Münchhausen-Stellvertretersyndrom.«
»Mist«, stieß Bobby hervor.
»Der Richter hat mir ein wenig über seine Schwiegertochter Catherine erzählt und wollte wissen, ob ein Mensch mit ihrer Vorgeschichte dem Profil eines am Münchhausen-Syndrom erkrankten Patienten entsprechen könnte. Ich sollte ihm quasi per Ferndiagnose mitteilen, ob Catherine die Erkrankungen seines Enkels nur vortäuscht oder den Jungen absichtlich krank macht, um Aufmerksamkeit zu erzwingen.«
»Und was haben Sie ihm geantwortet?«
»Dass das nicht mein Spezialgebiet ist. Soweit ich im Bilde sei, gäbe es für das Münchhausen-Syndrom kein eindeutiges Profil. Ich riet ihm, sofortige fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und rechtliche Schritte einzuleiten, um den Jungen von seiner Mutter zu trennen, falls er von einer konkreten Gefahr ausginge.«
»Und wird er das tun?«
»Keine Ahnung. Er hat sich den Namen des Kollegen notiert, den ich ihm genannt habe, und sich für die Beratung bedankt.«
»Wann war das? Wann haben Sie mit dem Richter gesprochen? Wenigstens so ungefähr?«
»Vor sechs Monaten.«
»Vor sechs Monaten? Der Mann sucht fachlichen Rat, um herauszufinden, ob sein Enkel in Gefahr schwebt, und unternimmt dann sechs Monate lang nichts?«
»Bobby«, wandte sie ruhig ein. »Ich weiß nicht, was sich in diesem Haus abgespielt hat. Und Sie müssen zugeben, dass Sie es ebenso wenig wissen.«
»Richtig«, höhnte er. »Ich bin nur reinspaziert, habe Richter und Geschworene gespielt und einen Mann erschossen. Mist. Einfach ... Mist.«
Elizabeth beugte sich mit gütiger Miene vor. »Sie haben gestern Abend etwas sehr Richtiges gesagt, Bobby. Nämlich, dass taktische Einheiten nicht über den Luxus von Informationen verfügen. Erinnern Sie sich, Bobby?«
»Ja.«
»Das Wichtigste ist, ob Sie das immer noch glauben, Bobby.«
»Ein Mann ist tot. Mangelndes Wissen ist da doch nur eine faule Ausrede.«
»Es ist keine Ausrede, Bobby, sondern eine Tatsache.«
»Schon gut.« Er zerdrückte die Coladose.
Elizabeth ordnete ein paar Papiere auf ihrem Schreibtisch. Das Schweigen dauerte an. »Wollen wir über Ihre Familie sprechen?«, schlug Elizabeth schließlich vor.
»Nein.«
»Gut, dann reden wir über den Schuss.«
»Nein, verdammt.«
»Meinetwegen. Dann eben über Ihren Beruf. Warum sind Sie zur Polizei gegangen?«
Er zuckte die Achseln. »Mir gefiel die Uniform.«
»Sind andere Mitglieder Ihrer Familie bei Polizei oder Justiz beschäftigt? Freunde, Bekannte, Verwandte?«
»Nicht wirklich.«
»Also sind Sie der erste. Wollten Sie eine neue Familientradition begründen?«
»So bin ich eben. Das schwarze Schaf.« Er verhielt sich noch immer feindselig.
Seufzend klopfte Elizabeth mit den Fingernägeln auf die Schreibtischplatte. »Warum sind Sie Polizist geworden, Bobby? Aus welchem Grund haben Sie sich von allen Berufen auf der Welt ausgerechnet diesen ausgesucht?«
»Keine Ahnung. Als Junge wollte ich entweder Astronaut oder Bulle werden. Und da das mit dem Astronauten ziemlich schwierig war, bin ich eben bei der Polizei gelandet.«
»Und Ihr Vater?«
»Was soll mit ihm sein? Er hat nichts dagegen.«
»Was war er von Beruf?«
»Gabelstaplerfahrer bei Gillette.«
»Und Ihre Mutter?«
»Weiß
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