Lauf, wenn du kannst
Begleitung von Detective D.D. Warren von der Bostoner Polizei«. Er wies auf eine attraktive Blondine mit einem miserablen Kleidergeschmack. »Und Ermittler Rob Casella von der Staatsanwaltschaft.« Er deutete auf einen ausgesprochen sauertöpfisch wirkenden Mann in einem dunklen Beerdigungsanzug. »Wir haben einige Fragen an Sie. Dürfen wir reinkommen?«
»Ich wollte gerade zu meinem Sohn«, erwiderte sie. »Dann werden wir uns bemühen, Sie nicht zu lange aufzuhalten.« Der Staatsanwalt drängte sich schon ins Haus. Nach einer Weile gab sie sich geschlagen. Vermutlich war es das Beste, es so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Bevor Nathan – oder Prudence – zurückkam.
Die billig gekleidete Blondine blickte sich mit bemüht blasierter Miene in der Eingangshalle um. Der Ermittler hingegen machte sich bereits Notizen.
»Ich denke, wir sollten uns setzen.« Der Staatsanwalt bat alle Anwesenden zum Gespräch ins Wohnzimmer, das links von der Vorhalle abging. Endlich stellte Catherine die Handtasche ab und schlüpfte wieder aus dem Mantel. Dabei ließ sie den Staatsanwalt nicht aus den Augen. Offenbar hatte er hier das Sagen.
Sie fragte sich, welche Einstellung er wohl zu trauernden Witwen hatte. Dann trafen sich ihre Blicke wieder. Er musterte sie kalt und abschätzend wie ein Raubtier, das seine Beute beobachtet. Das war also der Stand der Dinge. Seit Catherine sich erinnern konnte, löste sie in Männern stets extreme Reaktionen aus. Männer, die Frauen begehrten, verzehrten sich nach ihr. Und Männer, die Frauen hassten ...
Daran musste dringend etwas geändert werden, sagte sie sich und wandte ihre Aufmerksamkeit dem Mann im Beerdigungsanzug zu.
»Schön, dass Sie gekommen sind«, verkündete sie mit Nachdruck, straffte die Schultern und rauschte ins Zimmer. »Als ich gestern mit der Gerichtsmedizin telefoniert habe, war ich zugegebenermaßen ziemlich überrascht zu hören, dass die Leiche meines Mannes noch immer nicht freigegeben ist.«
»In Situationen wie dieser dauert das seine Zeit.«
»Haben Sie Kinder, Mr Copley?«
Er starrte sie nur ausdruckslos an. »Für meinen Sohn ist das alles sehr schwer«, meinte Catherine leise. »Deshalb würde ich gerne die Beisetzung in die Wege leiten, damit wir beide einen neuen Anfang machen können. Je früher mein Sohn die Möglichkeit erhält, einen Schlussstrich unter diese Tragödie zu ziehen, desto eher werden die Narben auf seiner Seele heilen.«
Copley und seine Begleiter schwiegen. Catherine ließ sich ihnen gegenüber auf einem antiken Holzstuhl nieder, schlug die Beine übereinander und legte eine Hand fest ums Knie. Sie hatte ihre Kleidung heute Morgen sorgfältig ausgewählt: wadenlanger schwarzer Rock und ein grau-violetter Rollkragenpullover aus Kaschmir mit Gürtel. Perlenknöpfe in den Ohren, der Ehering am Finger, das lange schwarze Haar zu einem Nackenknoten zusammengefasst. Von Kopf bis Fuß das Sinnbild der trauernden Witwe. Und das wusste sie genau.
Wenn diese Leute wirklich vorhatten, über eine Frau herzufallen, die gerade ihren Mann verloren hatte – nur zu! »Wir haben einige Fragen im Zusammenhang mit den Vorfällen von Donnerstagnacht«, begann der Staatsanwalt schließlich, nachdem er mit einem Räuspern das Schweigen gebrochen hatte. »Könnten Sie uns die eine oder andere Einzelheit noch einmal schildern?«
Catherine sah ihre Besucher nur erwartungsvoll an.
»Äh, also gut.« Ermittler Casella hatte sein Notizbuch zutage gefördert und blätterte darin herum. Anstatt ihn zu beobachten, betrachtete Catherine die Blondine. Schießereien wurden doch von der Staatsanwaltschaft untersucht, nicht von der Bostoner Polizei. Was also wollte sie hier?
»Es geht um die Überwachungsvideos der Alarmanlage das aus dem Schlafzimmer fehlt offenbar.«
»Es gibt keines.«
»Es gibt keines? Soweit die Sicherheitsfirma uns informiert hat, wurde in Ihrem Schlafzimmer eine Kamera installiert.«
Catherine sah Ermittler Casella gleichmütig an. »Sie war nicht eingeschaltet.«
»Nicht eingeschaltet?«
»Wie praktisch«, murmelte die Blondine.
Catherine achtete nicht auf sie. »Die Kamera soll nur laufen, wenn wir nicht zu Hause sind. Jimmy hat sie so eingestellt, dass sie sich zwischen Mitternacht und acht Uhr morgens automatisch abschaltet.«
»Das ist aber interessant«, meinte Casella. »Denn laut Ihrer früheren Aussage kam Jimmy um zweiundzwanzig Uhr nach Hause. Deshalb hätte die Kamera noch laufen müssen.«
»Stimmt,
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