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Lauf, wenn du kannst

Lauf, wenn du kannst

Titel: Lauf, wenn du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Gardner
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wirklich sehr nett von euch. Aber ich habe Nathan so vermisst und könnte es nicht ertragen, noch eine Minute länger von ihm getrennt zu sein.«
    »Auch wir können es kaum erwarten, unseren Enkel zu begrüßen!«, verkündete Maryanne prompt und in so überschwänglichem Tonfall, dass ihre Stimme schrill klang.
    »Das ist wirklich so reizend von euch. Aber Nathan ist gesundheitlich noch nicht wieder auf den Damm. Nach allem, was er in den letzten drei Tagen erlebt hat, wäre es besser, wenn ich zunächst allein mit ihm sein könnte. Sonst regt er sich zu sehr auf. Morgen könnt ihr uns natürlich gern zu Hause besuchen.« Mit ein wenig mehr Nachdruck legte Catherine Schwester Brandi die Hand auf den Arm. »Gehen wir?«, beharrte sie.
    »Selbstverständlich.«
    Nach einem letzten verunsicherten Blick auf James und Maryanne begleitete die Schwester Catherine raschen Schrittes den Gang entlang. Catherine bemerkte, dass ihre Schwiegereltern keinerlei Anstalten machten, zu gehen. Als von einem Vertreter für Tony die Rede gewesen war, hatten James’ Augen eindeutig aufgeleuchtet. James und Maryanne gaben sich niemals kampflos geschlagen, und die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass Catherine nicht mehr viel Zeit blieb.
    Nathan saß in seinem durch einen Vorhang abgetrennten Krankenhausbett. Er hatte schon eine viel gesündere Gesichtsfarbe, und sein Bauch war nicht mehr schmerzhaft aufgedunsen. Allerdings wirkte er in dem Meer aus weißen Laken und schwarzen Schläuchen noch immer winzig und verloren auf Catherine. Es gab nur wenig, was so grotesk aussah wie ein Krankenhausnachthemd an einem Kind.
    »Mein Kleiner«, flüsterte sie.
    Nathan betrachtete sie aus ernsten blauen Augen. »Wo ist Prudence?«, fragte er dann mit klarer Stimme.
    »Heute hat sie ihren freien Tag«, antwortete Catherine ruhig. »Ich bringe dich jetzt nach Hause. Möchtest du gern nach Hause?«
    Nathan sah sich im Raum um und betrachtete den Infusionsständer und den Herzmonitor. »Geht es mir denn besser?«, erkundigte er sich leise und sah plötzlich schrecklich verunsichert aus.
    »Ja.«
    Er nickte entschlossen. »Dann möchte ich nach Hause.«
    »Komm, wir ziehen dich an.« Schwester Brandi entfernte die Infusionsnadel und schob den Herzmonitor weg.
    »Die Entlassungspapiere?«, drängte Catherine mit einem ängstlichen Blick über die Schulter.
    »Selbstverständlich.«
    Während Brandi den Flur hinunter verschwand, setzte Catherine ein fröhliches Lächeln auf und drehte sich zu ihrem Sohn um. »Ich habe dir deine Lieblingssachen mitgebracht. Jeans, Stiefel und Cowboyhemd.«
    »War es ein Traum?«, erkundigte er sich.
    Catherine wusste sofort, was er meinte. »Nein«, sagte sie.
    »Daddy hatte eine Pistole.«
    »Ja.«
    »Ist er tot?«
    »Ja.«
    Nathan nickte und begann, seine Kleider anzuziehen. Gerade hatte er sein Cowboyhemd aus Flanell zugeknöpft, als James und Maryanne, einen Mann im Chirurgenkittel im Schlepptau, erschienen.
    »Nathan!«, rief James in leutseligem Ton aus. »Wie geht es meinem Lieblingscowboy? Wollen wir jetzt das Pferd satteln? Deine Großmutter und ich würden dich gerne mit ins Hotel LeRoux nehmen. Zimmerservice, Nathan. So viel Eiscreme mit heißer Schokoladensauce, wie du essen kannst.«
    Nathan starrte seinen Großvater an, als wären diesem plötzlich zwei Köpfe gewachsen. So viel Aufmerksamkeit schenkte James seinem Enkel für gewöhnlich nie. Und wenn Nathan Eis aß, wurde ihm ganz gottserbärmlich übel.
    Doch James ließ sich davon nicht anfechten und drehte mit triumphierender Miene zu Catherine um. »Catherine, darf ich dir Dr. Gerritsen, den Leiter der Kinderklinik, vorstellen. Ich denke, du solltest dich einmal mit ihm unterhalten. Währenddessen bleiben Maryanne und ich hier bei Nathan.«
    Maryanne war bereits vorgetreten und streckte die Hand nach Nathan aus. Ihr sehnsüchtiger Gesichtsausdruck war kaum zu ertragen. Sah sie in ihrem Enkel das Letzte, was ihr von Jimmy geblieben war? Oder betrachtete sie Nathan nur als eine Art Waffe, als lebendes, atmendes Werkzeug, das sich einsetzen ließ, um Catherine eins auszuwischen?
    Obwohl Dr. Gerritsen Catherine mit einer Handbewegung hinaus auf den Flur bat, rührte sie sich nicht von der Stelle. James und Maryanne würden keine dreißig Sekunden brauchen, um sich mit Nathan aus dem Staub zu machen. Schließlich ging es im Gesetz zu neunzig Prozent darum, vollendete Tatsachen zu schaffen.
    Schließlich gab Dr. Gerritsen sich geschlagen, trat in das überfüllte

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