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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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lachte ein bisschen verlegen. »Ich aber logischerweise mich noch nicht. Aber so wie Reiche uns wahrscheinlich anschauen und als Abschaum sehen, denken die beiden, dass Reiche auch keine Menschen sind.«
    Cheyennes nächste Worte überraschten ihn. »Was ist mit deinem Hals passiert? Die Haut dort fühlt sich anders an.«
    Griffins Antwort war kurz. Und sein Tonfall machte deutlich, dass er nicht darüber reden wollte. »Verbrannt.«
    »Wie?« Es war, als wollte sie, dass er sich so verwundbar fühlte wie sie selbst.
    »War ein Unfall.«
    »Was für ein Unfall?«
    »Mein Dad hat gekocht, in Ordnung?«
    »Gekocht?« Er konnte hören, wie ungläubig ihre Stimme klang. Sogar Cheyenne hatte schon mitbekommen, dass Roy nie irgendetwas kochte.
    Er hat ein bisschen Crystal Meth gemacht und dann ist was auf den Brenner gekleckert.«
    »Chrystal Meth?« Sie schien nicht genau zu wissen, was das war.
    Griffin beneidete sie um ihre Ahnungslosigkeit. »Crystal, Glass, Yaba, Ice. Hauptsächlich ist es Speed. Amphetamine. Früher konntest du das Zeug, das du dafür brauchtest, in jedem Lebensmittelgeschäft bekommen. Mein Vater hat sich damit was dazuverdient, aber dann haben sie ein paar von den Zutaten nicht mehr frei verkauft. Tja und dann hat er aufs Autoklauen umgesattelt.«
    »Wenn man es herstellen will, muss man es also kochen?«
    »Ja. Es riecht ekelhaft. Wie Katzenpisse. Ich bin raus in die Scheune, weil ich ihn was fragen wollte, und dann ist es in Flammen aufgegangen und hat mich an Hals und Brust verbrannt.«
    Griffin erinnerte sich, wie es sich zuerst entweder sehr, sehr heiß oder sehr, sehr kalt angefühlt hatte. Er konnte nicht sagen, was stimmte, und dann war es plötzlich heiß gewesen, glühend heiß, und die Hitze hatte sich durch ihn durchgefressen. Immerhin hatte er es geschafft und sein Hemd von sich gerissen, sonst wäre er noch schlimmer verbrannt worden. Die Schmerzen waren so heftig gewesen, dass er am liebsten gestorben wäre oder wenigstens sein Bewusstsein verloren hätte. Nach ein paar Sekunden hatte er die Auswahl auf nur noch eines begrenzt: Er wollte sterben.
    Er tat keins von beidem.
    Es war seine Mutter gewesen, die ihn zur Notaufnahme gebracht hatte, seine Mutter, die den Ärzten irgendeine Geschichte über den Holzofen erzählt hatte. Die Ärzte hatten sie gebeten, das Zimmer zu verlassen, und dann hatten sie Griffin noch mal danach gefragt. Er wusste, dass sie ihr nicht glaubten.
    Griffin blieb bei derselben Geschichte. Nicht aus Liebe zu Roy, sondern weil er Angst hatte, dass seine Mutter sonst auch Probleme bekommen würde.
    Er hatte einen Monat auf der Spezialstation für Verbrennungen gelegen. In beiden Handrücken steckte eine Infusion, und er war intubiert, damit er besser atmen konnte, weil seine Schleimhäute auch verbrannt waren. Aber sogar mit einem Schlauch im Hals konnte er noch riechen. Und die Verbrennungen waren voller Gerüche gewesen. Der stärkste kam von der Brandsalbe, die nach Pfefferminze roch und wie gehärtetes Bratfett aussah, und sich auch so anfühlte. Die Krankenschwestern verteilten sie zweimal am Tag über die nässenden Verbrennungen. Die Salbe verdeckte einen anderen Gestank, einen der süßlich und faulig war.
    Griffin lag jede Nacht im Dunkeln wach und hörte, wie die Monitore piepten, das Beatmungsgerät zischte und Maschinen die dünnen Linien seines Lebens aufzeichneten. Er hörte, wie andere Patienten bettelten, beteten und schrien. Die meisten machten ihm Angst. Einer war ein Obdachloser, der von gelangweilten Teens angezündet worden war. Ein anderer war ein Junge, der nur ein paar Jahre älter als Griffin war. Er hatte versucht, sich selber umzubringen, hatte seine Kleider mit Benzin getränkt und ein Streichholz drangehalten. Und dann war da noch ein kleines zwei- oder dreijähriges Kind, das an dem Kabel der Fritteuse gezerrt und das Teil zu sich gezogen hatte. Eine Frau war bei einem Autounfall verbrannt worden. Sie starb an seinem dritten Tag im Krankenhaus.
    In seinen Albträumen sah Griffin, wie die Krankenschwestern in ihren blauen Plastikkitteln, Gummihandschuhen und Papierhauben wieder in den Raum zur Wundreinigung brachten und seine abgestorbene Haut mit Drahtbürsten abschrubbten.
    Auch als seine Verbrennungen geheilt waren, wurde er ständig an sie erinnert. Jeden Morgen, wenn er sich in der Dusche den Hals und die Brust einseifte, zeichnete er mit seinen Fingern die roten, glatten Narben nach. Oder er berührte die flacheren Narben auf

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