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Lauf, wenn es dunkel wird

Lauf, wenn es dunkel wird

Titel: Lauf, wenn es dunkel wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: April Henry
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sich gelassen und schnell. Er hatte ihr ihren Körper zurückgegeben.
    Cheyennes Augen brannten vor Tränen, als sie an Phantom dachte. Sie liebte das weiche Fell an seinen Ohren, seine lange, schlanke Schnauze, sogar das Geräusch, das seine Krallen auf dem Boden machten. Wenn Phantom Unfug im Sinn hatte, versuchte er immer leise zu sein, weil er rausbekommen hatte, dass Cheyenne ihn nicht sehen konnte. Wenn er Durst hatte, schrappte er seine Schüssel über den Boden. Wenn er ein Leckerli wollte, bellte er und stellte seine Pfoten auf die Anrichte. Und wenn er müde war, rollte er sich un ter ihrem Schreibtisch zusammen, oder im leeren Kamin, manchmal sogar in der Duschkabine.
    Cheyenne hoffte, dass es nicht allzu sehr auffiel, dass sie schon wieder weinte. Aber sie wollte auch nicht mit dem Erzählen aufhören, nicht wenn Griffin ganz offensichtlich interessiert war. Ihre Worte sollten ihn mit durchsichtigen Fäden einwickeln. Sie atmete tief ein. »Aber ein Hund ist keine Maschine«, sagte sie. »Zu Hause arbeitet man nicht mit seinem Hund. Ein Hund braucht Zeit, in der er einfach nur Hund sein darf. Was ist mit eurem Hund, den ihr draußen habt? Wann darf der einfach nur Hund sein?«
    »Duke?« Griffin lachte überrascht auf. »Duke ist kein Hund. Nicht wirklich.« Er prustete noch mal, als wäre das eine lächerliche Vorstellung. Dann fragte er: »Und woher weiß dein Hund, wohin er dich bringen soll?«
    Cheyenne schüttelte den Kopf. »Er weiß es nicht. Phantom ist ja kein Taxifahrer. Ich kann nicht >McDonald’s bitte< sagen und dann bringt er mich dahin. Ich mache die Hälfte der Arbeit. Ich muss den Stadtplan mit allen Straßen, die wir überqueren wollen, im Kopf haben, und dann sage ich ihm, wann wir abbiegen müssen. An einer Kreuzung, bin ich diejenige, die entscheidet, ob die Ampel rot oder grün ist, nur durchs Hören. Für einen Hund sehen Rot und Grün und Gelb völlig gleich aus. Wenn wir dann die richtige Straße erreicht haben, muss ich nach Hinweisen hören oder tasten, damit ich das Gebäude finde, zu dem ich will. Phantom ist dann derjenige, der sicherstellt, dass ich dahin gehen kann, ohne in irgendetwas reinzulaufen oder überfahren zu werden.«
    »Moment - du gehst also zu einer Straße und spitzt deine Ohren, damit du weißt, ob die Autos auch wirklich halten? Hört sich irgendwie gefährlich an. Was, wenn du Phantom sagst, dass ihr gehen sollt, und dann kommt ein Auto?«
    »Die Hunde sind darauf abgerichtet, dass sie beurteilen können, ob ein Befehl ungefährlich ist«, sagte Cheyenne. »Es heißt intelligenter Ungehorsam.«

 
Ein großer Fehler
    »Intelligenter Ungehorsam also, ja?«, wiederholte Griffin. Er mochte, wie sich das anhörte. Wenn er einer Aufforderung nicht nachkam, hatte er immer angenommen, dass er einen großen Fehler machte.
    »Es ist komisch«, sagte Cheyenne, »aber wenn Phantom nicht macht, was ich sage, ärgert mich das trotzdem. Ich denke dann, er ist dumm, bis mir klar wird, dass er recht hat.« Sie trank den Orangensaft in einem langen Zug aus und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Die Kräcker hatte sie schon hinuntergeschlungen.
    Erst jetzt fiel Griffin auf, dass sie hungrig sein musste.
    »Willst du was zu Mittag essen?«
    Sie nickte. »Das wäre toll.«
    »Dann schau ich mal, was ich finden kann.« Er stand auf und ging in Gedanken durch, was sie in der Küche hatten.
    Im Schrank lagen noch ein paar chinesische Nudeln und im Gefrierschrank vielleicht ein paar Erbsen. Und er könnte noch Würstchen aufschneiden und sie dazugeben. Er würde die Nudeln in kleine Stücke brechen, dann konnte Cheyenne sie leichter essen. Er würde ihr erzählen, dass es mit den Nudeln so war wie mit der Steinsuppe aus dem Märchen. Man musste erst eine Menge zu den Steinen in die Suppe tun, bevor sie gut wurde. Und dann würde Cheyenne vielleicht lachen, oder wenigstens lächeln.
    Während Griffin sich durch den Kühlschrank wühlte und nach Eiern suchte, kam TJ rein. »Machst du was zu essen?«
    »Für unseren Gast.«
    »Bleibt noch was für TJ übrig?«
    Griffin hatte keine große Lust, zu irgendetwas Ja zu sagen, sobald es um TJ ging, aber er fand auch keinen triftigen Grund, um Nein zu sagen, also nickte er. Während TJ den Flur entlang Richtung Bad ging, nahm Griffin den Topf vom Feuer, goss ein wenig Wasser dazu und verlängerte so das Essen. Als er gerade die Würstchen über dem Topf schnitt, fing sein Hirn an, die Geräusche einzuordnen, die er gehört

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