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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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sollte dringend mal wieder geputzt werden. Ich ging am Wirtschaftsgymnasium West vorbei weiter zur Rotebühlstraße. Um zum Konditor auf der anderen Seite zu kommen, musste ich erst die Hasenbergstraße überqueren. Die Fußgängerampel zeigte rot. Neben mir stand ein spindeldürrer langer Typ, der vielleicht sechzehn war. Seine Jeans hingen in den Kniekehlen und auf dem Kopf trug er eine Baseballkappe, falsch herum natürlich. Er musterte mich eingehend. Dann fragte er: »Kann ich ein Autogramm haben?«
    Ich blickte ihn erstaunt an. Normalerweise redeten Sechzehnjährige nicht mit mir. Sie sortierten mich unter Komposti ein. Und warum sollte der Typ ein Autogramm von mir wollen?
    »Sorry, ich verstehe nicht ganz ...«, sagte ich verwirrt.
    Er deutete auf die andere Straßenseite. »Das Bild, meine ich. Man erkennt Sie gleich.«
    Auf der anderen Straßenseite, direkt vor dem Eingang zum Wirtschaftsgymnasium, stand eine Litfasssäule. Die Säule war mit Plakaten gepflastert, auf denen in großer Schrift die Worte »McGöckele, Neueröffnung – gleich 7mal in Stuttgart!« zu lesen waren. Darunter war in XXXXL-Größe der Kopf einer Frau abgebildet, die gerade völlig verzückt mit geschlossenen Augen ein Hähnchen verspeiste. Aus ihren Mundwinkeln hing weißes Hähnchenfleisch. Die Frau sah vollkommen idiotisch aus. Der Axtmörder von Stuttgart-West war ich selbst.
    Fünf Minuten später stand ich vor Leons Wohnung, ohne Kuchen, und klingelte Sturm. Leon öffnete. »Ich habe dich gewarnt«, seufzte er. Offensichtlich sprach mein Gesichtsausdruck Bände. Zudem rauchte es mal wieder aus meinen Ohren.
    »Wir alle haben versucht, dich zu warnen. Lila, Frau Müller-Thurgau, Herr Tellerle und ich. Aber du wolltest ja nicht hören.« Er machte eine Pause. »Komm doch rein.«
    Ich trat in Leons Flur und schloss die Tür hinter mir. Ich war noch nie in seiner Wohnung gewesen. Der Flur war baugleich wie meiner, nur vollkommen leer. Keine Umzugskiste, keine Garderobe, kein Altpapier, kein Stuhl, kein gar nichts. An der Decke hing eine nackte Glühbirne. Ich blieb stehen.
    »Leon, ich habe jetzt keine Zeit. Ich muss den Gerichtsvollzieher, das Bundesverfassungsgericht, OB Schuster oder wen auch immer dazu bringen, dass diese unsäglichen Plakate abgehängt werden. Ich würde nur gern wissen: Wie lange hängen die schon? Und warum habt ihr mir nichts gesagt?«
    Der Gedanke, dass Leon, Lila und das halbe Haus bei einer Treppenkonferenz darüber beratschlagt hatten, was sie mit den Plakaten anfangen sollten, während sich der Rest von Stuttgart großartig über mich amüsierte, war genauso unerträglich wie die Vorstellung, dass Eric M. Hollister mich übers Ohr gehauen hatte. Kein Wunder, dass er sich im Dschungel von Borneo versteckte. Der Rauch aus meinen Ohren wurde dichter. Leon versuchte ihn mit den Händen wegzuwedeln.
    »Willst du wirklich nicht reinkommen? Ich mache dir einen Kaffee.«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Wie du willst. Also ich habe die Plakate schon das erste Mal auf dem Weg zurück von Schwieberdingen nach Stuttgart in der Heilbronner Straße und oben am Pragsattel gesehen. Du weisst schon, die Leuchtreklame oben auf dem Turm. Das war an dem Tag, als du mir von Dorles Schlaganfall erzählt hast. Da warst du so schlecht drauf, da wollte ich dich nicht darauf ansprechen. Und ich hatte ja auch keine Ahnung, dass du von der Aktion nichts wusstest. Das hat mir erst Lila erzählt. Wir wollten einfach nicht, dass du dich aufregst, solange du krank bist.«
    »
Ich rege mich doch gar nicht auf!
«, brüllte ich. »Ich hänge seit Tagen am Pragsattel, wo am Tag ungefähr 2,5 Millionen Pendler vorbeifahren, die sich über mich kaputtlachen, das ist doch kein Grund zur Aufregung!«
    Leon hob abwehrend die Hände. »Entschuldige mal, aber
ich
kann nichts für dieses, dieses – sagen wir mal – wenig schmeichelhafte Foto. Vielleicht solltest du deinen Ärger da ablassen, wo er hingehört. Außerdem warst du krank, und wie schlecht hättest du dich erst gefühlt, wenn du das mit den Plakaten gewusst hättest? Und jetzt hör auf mit diesen Rauchwölkchen, man sieht ja gleich die Hand nicht mehr vor den Augen.«
    Ich nickte beschämt. Es war wirklich nicht in Ordnung, meine Wut auf Eric an Leon auszulassen.
    »Du hast Recht. Entschuldige bitte. Du - ihr habt es ja nur gut gemeint. Und das mit den Ohren, das lässt sich leider nicht so steuern.« Ich versuchte trotzdem, mich auf meine Ohren zu konzentrieren. Der Rauch ließ

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