Laugenweckle zum Frühstück
Aldr sott mr nemme so lang warda mitm Känderkriaga«. Dass sie nicht »Dutzidutzi« machten, war noch alles.
»Ich bin nicht so scharf auf Dorles Feier. Sollte sie sich nicht lieber schonen?«
»Du weißt doch, wie Dorle ist. Sie will generalstabsmäßig Hefekranz und Käsekuchen produzieren, hat sich schon mit ein paar Frauen zum Brotbacken im Backhäusle verabredet und den Kirchenchor angeheuert. Außerdem wird es tonnenweise Kartoffelsalat geben. Ich denke, es wird ihr helfen, rasch gesund zu werden, wenn sie etwas hat, auf das sie sich freuen kann.«
Eine Achtzigerfeier mit Kirchenchor und einem Haufen resoluter alter Schachteln in Dorles Alter klang zwar nicht gerade nach Chill-Out auf der Theo-Heuss, Stuttgarts angesagter Partymeile. Aber Käsekuchen, Bauernbrot und Kartoffelsalat versprachen grundsolide schwäbische Bewirtung. Es war ja nicht so, dass ich mich von Pizza ernährte, weil es mir schmeckte, sondern weil ich nicht kochen konnte. Plötzlich kam mir ein bedrohlicher Gedanke.
»Dorle erwartet hoffentlich nicht, dass wir etwas zum Programm beitragen.«
»Natürlich erwartet sie das. Sie hat es zwar nicht explizit gesagt, aber als du am Sonntag mit Lena in der Eisdiele warst, hat sie ungefähr zehnmal hintereinander beiläufig erwähnt, dass ihre Theatergruppe einen schwäbischen Sketch aufführt und dass sie hofft, dass es noch mehr Programmbeiträge geben wird, weil sie ja schließlich nur einmal im
Läba
achtzig wird und davon ausgeht, dass es das letzte große Fest in ihrem Erdenleben ist, weil der Herrgott sie vor dem nächsten runden Geburtstag zu sich rufen wird.«
»Woher weißt du, dass ich mit Lena in der Eisdiele war?«
»Weil ich nicht blöd bin. Aber ich kann meiner Tochter und ihrer Tante ja auch mal ein bisschen Spaß gönnen.«
Cool. Das hätte ich Katharina gar nicht zugetraut. Ich fand sie meistens etwas verbissen.
»Ich kann nichts zum Programm beitragen. Ich kann weder Theater spielen noch Gedichte aufsagen noch singen.«
»Ich glaube, das ist genau das, was sich Dorle wünscht. Dass die liebe Familie etwas für sie singt.«
»Katharina, du weißt genau, dass die Zugvögel vorzeitig in den Süden aufbrechen, wenn ich singe! Und Vater hält sich fälschlicherweise für Ivan Rebroff, Gott hab ihn selig, nur weil er mal in Sibirien war! Und Mutter kann zwar singen, wird aber nicht aufkreuzen! Die Einzige in der Familie, die einen Ton trifft, bist du!«
»Lena hat auch ein hübsches Stimmchen und Ivan Rebroff war kein Russe. Er war zwar bei den Don Kosaken, aber sein richtiger Name lautet Hans-Rolf Rippert. Wie auch immer, das müssen wir ja auch nicht heute besprechen. Ich denke nur, wir sollten Dorle den Gefallen tun.«
»Kannst du nicht Lena dazu bringen, etwas aus
Sakrileg
zu rezitieren?«
»Sehr witzig. Ich muss jetzt Schluss machen. Ich gehe mit Salo zu einer Masernparty und bin spät dran.«
»Du gehst
wohin
?« Ich hatte schon von Tupper- und Dessouspartys gehört. Masernparty, war das der neueste Trend beim Kindergeburtstag? Ging man da nicht zu McDonald’s, ins Hallenbad oder auf die Go-Kart-Rennbahn?
»Zu einer Masernparty. Ein Junge aus Salos Kindi hat die Masern. Bei diesem Kind treffen sich heute alle Mütter mit den Kindern, die noch keine Masern hatten. Heute ist Samstag, drei Tage Inkubationszeit, am Dienstag sind alle Kinder krank. Der Kindi macht den Rest der Woche zu und am Montag drauf sind alle Kinder wieder fit. So haben wir es mit den Erzieherinnen besprochen. Sonst zieht sich das wochenlang hin mit den Masern. Ich nehme Dienstag und Mittwoch und Frank Donnerstag und Freitag frei.«
Das klang einleuchtend. Nicht so planlos wie in unserer Kindheit, wo man völlig unorganisiert Masern, Mumps und Röteln bekommen hatte.
»Na dann viel Spaß.«
»Den werden wir haben. Wir Mütter trinken Sekt, während sich die Kinder anstecken.«
Ich legte das Telefon erschöpft zur Seite. So richtig gesund war ich eben doch noch nicht. Ich streckte mich auf dem Sofa aus und schloss die Augen. Sofort tauchte meine komplette Familie vor meinem inneren Auge auf. Vater, Katharina, Frank, Lena und Salo formierten sich Kelly-Family-mäßig zum Chor und stimmten mit Inbrunst »Geh aus, mein Herz und suche Freud« an, während Dorle andächtig lauschte und sich eine Träne der Rührung wegwischte.
»Die Lerche schwingt sich in die Luft, das Täublein fliegt aus seiner Kluft und macht sich in die Wälder. Die hoch begabte Nachtigall ergötzt und füllt mit ihrem Schall
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