Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
Vom Netzwerk:
Kaviar-Biest nachzudenken. Nach ein paar Minuten öffnete sich die Tür der Antragsstelle und eine verheulte Frau mit Kopftuch und einem kleinen Jungen an der Hand trat heraus. Im gleichen Moment machte es »Pling« und die digitale Nummernanzeige sprang von zwölf auf dreizehn. Ich stöhnte. Ich hatte nicht gesehen, dass man eine Nummer ziehen musste, und mittlerweile war es noch voller geworden. Ich sah mich suchend um und fand den Nummernapparat direkt am Eingang. Ich drückte auf den Knopf. Nichts geschah. Damit hatte ich zwar gerechnet, trotzdem waren meine Nerven zu schlecht, um die Situation mit Gleichmut zu meistern. Ich rammte meinen Daumen wie eine Bekloppte gegen den Knopf. Als noch immer nichts geschah, hieb ich mit der Faust kräftig auf das Gerät. »Ned druffhaua! Des muss mr mit Gfiehl macha! Mit viiiel Gfiiieeehl!«, sagte einer der Wartenden und schüttelte tadelnd den Kopf. Die anderen murmelten zustimmend. Also drückte ich nochmal mit Gefühl und mehrere Nummern ratterten gleichzeitig aus dem Ausgabeschacht. »Sähn Se!«, sagte der Mann zufrieden. Ich starrte auf die Papierschlange in meiner Hand: 26 bis 36. Das würde ein langer Morgen werden.
    Ein paar Stunden später hatte ich längst meine Brezel gegessen, mein Magen knurrte und ich kannte sämtliche Geschichten der Anwesenden. Die meisten waren vorübergehend wohnungslos und deshalb nicht rasiert. Ihre Vermieter hatten in ihrer Abwesenheit die Schlösser ausgetauscht, weil sie die Miete nicht bezahlt oder unerlaubten Frauenbesuch in die Wohnung mitgenommen hatten. Die Geschichten hielten mich erfolgreich davon ab, an Leon zu denken und in Tränen auszubrechen. Außerdem hatte ich mittlerweile einen handgeschriebenen Zettel an der Tür des Büros gelesen, der mich zunehmend nervös machte. »Nach fünf vor zwölf bitte nicht mehr eintreten!« Der Zeiger rückte unaufhörlich vor. Halb zwölf. Ich rutschte auf meinem Plastikstuhl hin und her. Sechs vor zwölf. Fünf vor zwölf. Nummer 25 kam aus der Tür. Ich sprang auf und ohne die Leuchtanzeige abzuwarten, stürzte ich in das Büro.
    »Hen Sie ned des Schild gläsa? Jetz isch vier vor zwelfe. Mir machad jetzt Mittag.«
    An einem mit Aktenordnern übersäten Schreibtisch saß ein kleiner kugelrunder Mann mit Glatze und sah mich vorwurfsvoll an. »Welche Nommer hen Sie iberhaupt?«
    »26 bis 36«, sagte ich. »Bitte, es ist wichtig.«
    »Älle hen’s wichdig. Dr oine isch vo Gorillas aus dr Wohnong gschmissa worda, die sei Vermiedr bschdellt hot, die ander wird vo ihrm Ma verhaua. Kommed Se om halber drei wieder. Do drieba isch a Kantine.«
    »Bitte«, flüsterte ich. »Ich lade Sie auch anschließend in die Kantine zum Kaffee ein. Aber ich muss mich gegen die Göckeles-Mafia wehren!«
    »I ben ned beschdechlich ond Sie hen zviel Färnsäh guckt. Mir sen doch ned in Sizilie bei der Cosa Noschdra!«
    Ich ließ mich unaufgefordert auf einen Stuhl fallen und brach in Tränen aus. Normalerweise war ich zu emanzipiert, um zu weiblichen Waffen zu greifen. Jetzt fiel mir nichts Besseres ein.
    »Jetz fangad Sie au no a zom Heila! Kurz vorm Mittagessa! Wissed Sie, wie viel gschdandene Männr uff dem Schduhl heid morga scho gheilt henn?«
    Ich sagte nichts und schluchzte weiter. Der Dicke seufzte.
    »Also, machad Se’s bitte kurz. Was isch bassiert?«
    Ich kramte mein Schreiben aus dem Rucksack und hielt es ihm wortlos hin. Der Dicke schob seine Gleitsichtbrille auf den Nasenrand, vertiefte sich in das Papier und runzelte die Stirn.
    »Also dess verschdand i fai ned. Ich, Pipeline Praetorius, erlaube mir hiermit, immer zur vollen und zur halben Stunde fünf Minuten an den Wüstenscheich, das Operndate morgen und was danach Aufregendes passiert, zu denken?«
    Großartig. Ich hatte es geschafft, aus einem riesigen Stapel Schmierpapier ausgerechnet meinen inneren Vertrag aus der Stadtbücherei herauszuziehen und unbesehen als Vorlage zu benutzen. Ich spürte, wie sich mein Gesicht langsam zartrosa verfärbte und dann ins erdbeerrot changierte.
    »Das ist die falsche Seite. Bitte drehen Sie das Blatt um.«
    Der Dicke warf mir einen skeptischen Blick zu, dann tat er, wie ich ihm geheißen hatte.
    »Aha. Kennad Sie mir des no mit Ihre eigene Worde erklära? Meglichschd kurz?«
    »Also ich habe da diesen Wüsten ... äh, ich habe da einen Fotografen kennen gelernt, der heißt Eric M. Hollister. Er hat mich fotografiert und das Foto ohne meine Erlaubnis an eine Fastfood-Firma verkauft, die McGöckele heißt.

Weitere Kostenlose Bücher