Laugenweckle zum Frühstück
Tür und bereute es sofort. Nach einer Zehntelsekunde wurde die Tür aufgerissen und Leon strahlte mich an. Er trug ein XL-T-Shirt, Jeans und keine Schuhe und hatte verwuschelte Haare (die er sicher vor dem Spiegel so sortiert hatte). Sehr süß.
»Ich habe dich die Treppe hochkommen hören. Ich hab kaum zu hoffen gewagt, dass du klopfst.«
»Warum schläfst du nicht?«, flüsterte ich. Er zog mich am Ärmel herein und ich protestierte nicht. »Wenn du mal wieder das ganze Haus mit Tratsch versorgen willst, dann bleiben wir im Flur stehen. Ich schlafe nicht«, er machte eine bedeutsame Pause, »weil meine Heizung klopft.«
»Ach«, sagte ich. Dann schwiegen wir, während wir in seinem Flur standen. Ich starrte auf die Glühbirne. Sie kam mir unglaublich nackt vor. Er hatte noch immer keine Lampe montiert. Irgendwie war mir nicht ganz klar, wer als Nächstes dran war, etwas zu sagen, und vor allem: was. Es war ein bisschen wie in einer mündlichen Prüfung, auf die man zwar gelernt hat, aber in dem Moment, wo der Prüfer einem die erste Frage stellt, ist das Hirn wie leer gefegt, während das Herz wild klopft.
»Willst du mal sehen, äh hören?« Er flüsterte noch immer.
»Was denn«, fragte ich verwirrt.
»Na, die Heizung im Schlafzimmer«, sagte er ungeduldig.
»Klar, warum nicht?«, antwortete ich. Schließlich war es das Normalste auf der Welt, sich nachts um halb zwei die im Schlafzimmer klopfende Heizung seines Nachbarn anzuhören, der möglicherweise scharf auf einen war. Wie er das wohl hingekriegt hatte, dass es nicht in der Küche klopfte?
Leon zog mich wieder am Ärmel hinter sich her. Gab es einen leidenschaftlicheren Weg für einen Mann, eine Frau in sein Schlafzimmer zu schleppen? Außer einem Kleiderschrank, einem Korbsessel und einem Bett war das Schlafzimmer leer. Kein einziges Buch. Kein Buch weit und breit! Nicht einmal der
Kicker
! Es gab keinen Zweifel, der Kerl passte einfach nicht zu mir, einer echten Intellektuellen! Das Bett allerdings war groß. Sehr groß. Mindestens zwei Meter breit. Viel zu groß für eine Person. Nein, so ein großes Bett hätte ich ihm nicht zugetraut. Es war sorgfältig gemacht und seltsamerweise von einer riesigen regenbogenfarbenen Pace-Flagge bedeckt.
»Kannst du es hören?«, flüsterte er, wohl um das Klopfen nicht zu stören. Das Klopfen allerdings zeigte sich völlig unbeeindruckt. Klopf, klopf, klopf, machte die Heizung laut und deutlich.
»Das ist ja Psychoterror«, sagte ich mit normaler Stimme, um mich von dem riesigen Bett abzulenken. Komischerweise klang die Stimme aber nicht wie meine. Eher so wie die eines Wellensittichs, dem man mit mäßigem Erfolg das Sprechen beigebracht hatte.
Leon nickte heftig mit dem Kopf. »Ja, da kann kein Mensch schlafen. Da hilft auch kein Ohropax. Ich hab schon alles probiert.«
Einen kurzen Moment lang fand ich es seltsam, dass jemand, der angeblich versucht hatte zu schlafen, vollständig bekleidet war, ließ den Gedanken dann aber ganz schnell wieder aus meinem Hirn verschwinden. »Du könntest ja«, ich schluckte, »in meinem ... im Wohnzimmer übernachten.«
Leon seufzte schwer. »Auch schon probiert. Man hört es sogar durch die Tür. Un-er-träg-lich!«
Ich schluckte wieder. Mein Herz hämmerte so laut, dass Leon es bestimmt hören konnte. »Na ja, bevor du gar kein Auge zutust, könntest du bei mir übernachten. Und morgen früh rufst du die Vermieterin an.« Gott, wie bescheuert führten wir uns eigentlich auf? Wie sechzehnjährige Teenies vor dem ersten Petting.
Leon strahlte. »Super Idee, darauf wäre ich gar nicht gekommen!«
»Aber im Wohnzimmer, auf der Couch!« sagte ich streng.
»Klar«, sagte er und schlug sittsam die Augen nieder, »ich hab zufällig auch noch einen angebrochenen Rotwein. So als kleinen Schlummertrunk.«
Leon ging zum Bett, schlug die Decke zurück und klaubte einen himmelblauen Frotteeschlafanzug aus den Laken. Was danach geschah, werde ich wohl nie begreifen. Mein in mir dröhnendes Herz explodierte. Ich ließ meinen Rucksack fallen, nahm Anlauf und warf mich auf Leon wie ein Fußballer auf seinen Kumpel, der gerade ein Tor geschossen hat. Wir landeten beide auf der Pace-Flagge. Dann schlang ich die Arme um seinen Körper und bedeckte sein Gesicht mit heißen Küssen, um das Dornröschen-Syndrom so schnell wie möglich zu überwinden. Okay, es gibt subtilere Methoden. Nachdem Leon den ersten Schrecken überwunden hatte, konnte ich mich aber über mangelndes Engagement
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