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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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überdurchschnittlich intelligenten Frau.
    Ich setzte mich aufs Sofa und schloss die Augen. Es war höchste Zeit, dass ich das Thema Leon in meinen Gehirnbahnen sortierte. Nach ein paar Minuten hatte ich alles innerlich geklärt:
    Es spielte überhaupt keine Rolle, was am Abend zuvor zwischen Leon und mir passiert war. Immer vorausgesetzt, ich war nicht schwanger. Leon war ein Nachbar, dem ich wegen eines Fischstäbchens das Leben gerettet hatte und der folglich ein bisschen anhänglich war, was sich sicherlich bald legen würde, wenn ich ihn ignorierte, was ich vorhatte. Andererseits war er neu in Stuttgart und deshalb war es auch nicht nett, ihm nicht wenigstens ein bisschen beim Einleben zu helfen. Außerdem war es ganz praktisch, dass nun ein Mann neben mir wohnte, denn sicherlich war er handwerklich begabt und ich konnte endlich eine Garderobe kaufen, was ich bisher nur deshalb nicht getan hatte, weil ich nicht wusste, wie ich sie anbringen sollte.
    Kurzum: Ich würde einen freundlich-distanziert-kumpelhaften Kontakt zu Leon pflegen und ihn mir ansonsten komplett aus dem Kopf schlagen. Ein Kerl, der Ingenieur war, vor dem Einschlafen den
Kicker
las und nochmal extra zu Aldi fuhr, um Fußmatten zu kaufen, war nichts für eine Intellektuelle wie mich. Worin würde unser geistiger Austausch bestehen?
    Aus meinen Ohren quoll Rauch. Der Rauch war dick und schwarz und roch verbrannt, ich hielt mir die Ohren zu, aber das änderte gar nichts, der Rauch ließ sich nicht aufhalten, bahnte sich seinen Weg durch meine Finger, stieg mir in die Augen, meine Augen tränten, ich begann zu husten, und dann hörte ich endlich die Schläge an der Tür und das Sturmklingeln und wachte auf.
    Nach drei Sekunden wusste ich, woher der Rauch kam, der in dicken Schwaden im Flur hing. Ich rannte in die Küche, stellte den Ofen ab und riss erst die Ofentür und dann das Fenster sperrangelweit auf. Jetzt hustete ich wirklich. Ich ersparte mir den Blick in den Ofen. Ich konnte mir denken, dass dort anstelle einer Salamipizza ein Klumpen lag, der aussah, als hätte ihn der Ätna ausgespuckt.
    Dann lief ich zur Tür und riss sie auf. In der Tür standen Leon und Frau Müller-Thurgau. Leon guckte besorgt und Frau Müller-Thurgau böse.
    »Äh, es ist alles in Ordnung«, stammelte ich. »Ich hatte eine Pizza in den Ofen geschoben und bin eingeschlafen. Unglaublich, dass eine kleine Pizza so viel Rauch produzieren kann.«
    »I hätt scho längschd d’Feierwehr grufa«, sagte Frau Müller-Thurgau und ihre Stimme, die sich sowieso nicht gerade dadurch auszeichnete, dass sie einem angenehm in den Ohren schmeichelte, hatte einen schrillen Klang. »Dr jonge Mann hot aber gsagt, des sei sicher net nedich.« Frau Müller-Thurgau drehte sich auf dem Absatz um und stöckelte in ihren Doris-Day-Pantöffelchen, die die blauen Äderchen auf ihren Waden hervorragend zur Geltung brachten, in den vierten Stock hinunter. Der junge Mann klappte den Mund auf, dann klappte er ihn wieder zu.
    »Ehrlich«, sagte ich, »du kriegst einen völlig falschen Eindruck von mir. So was passiert mir zum ersten Mal.« Leon sagte nichts, grinste, drehte sich um und verschwand in seiner Wohnung.
    6 Kandel: Der Punkt, wo sich Bordstein und Straße treffen. Also gewissermaßen der Straßenrand. Das Säubern dieses Bereiches im Rahmen der sogenannten »Großen Kehrwoche« gehört zu den seltsamen Bräuchen der Stuttgarter Eingeborenen und wird auch Zugewanderten als Sitte aufgezwungen.

4. Kapitel |
Donnerstag
    La cucaracha, la cucaracha,
ya no puede caminar;
porque le falta, porque no tiene
marihuana que fumar
    Am nächsten Morgen riss mich der Wecker um sieben aus dem Schlaf. Draußen war es stockdunkel. Ich schleppte mich ins Bad. Immerhin musste ich heute nicht über düsteren Geheimnissen brüten, die den Vorabend betrafen, und ich hatte ausnahmsweise keinen Kater. Nach dem kleinen Ofenunfall hatte ich mir ein Salamibrot gemacht und den Rest des Abends bei offenem Fenster in einer Mischung aus »Ich-hasse-die-Welt« und »Die-Welt-hasst-mich« vor dem Fernseher verbracht. Das Telefonat mit Lila hatte ich wegen meiner positiven Grundstimmung auf den nächsten Tag verschoben.
    Die Aussicht auf ein Gespräch mit meiner Arbeitsberaterin hob meine Stimmung nicht gerade. Ich war schriftlich davon in Kenntnis gesetzt worden, dass ich zu einem Vermittlungsgespräch anrücken sollte, grausamerweise morgens um 8.30 Uhr. Es war wieder ein bitterkalter, wolkenloser Februartag und ich war

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