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Laugenweckle zum Frühstück

Laugenweckle zum Frühstück

Titel: Laugenweckle zum Frühstück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Kabatek
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Minuten hatten wir die Staffel 9 erreicht, die zur Hasenbergsteige führte. Leon nahm die Stufen in lockerem Trab. Sein knackiger Hintern war nach drei Sekunden aus meinem Blickfeld verschwunden. Ich keuchte die Treppe hinauf. Staffeln gehörten zur Topographie Stuttgarts wie Käse zu den Kässpätzle. Eigentlich mochte ich sie. Ich hatte sie bisher aber auch noch nicht zu Trainingszwecken benutzt. Aus der schicken Villa auf der rechten Seite, in der eine Anwaltskanzlei residierte, trat eine Frau in einem eleganten Ledermantel und sah mich mitleidig an.
    Leon hüpfte oben an der Staffel locker auf und ab. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Ich hatte Seitenstechen, aus meinem Mund kamen seltsame Pfeiftöne, der Schweiß rann mir über den Rücken und ja, ich war viel zu warm angezogen.
    »Leon ... pffff ... geht es vielleicht für den Anfang ein bisschen langsamer?«
    »Ja, natürlich. Ich hätte nicht gedacht, dass du sooo schlecht in Form bist.«
    »Na hör mal«, ächzte ich empört. »Hast du schon mal davon gehört, dass man positiv motivieren soll?«
    Leon lachte. »Du hast Recht. Also, um es positiv zu formulieren: Frau Müller-Thurgau würde sicher noch länger hier hoch brauchen, besonders wenn sie ihre rosa Doris-Day-Pantöffelchen trägt.«
    Anstatt zu antworten, schnaubte ich nur. Immerhin ging Leon jetzt in normalem Schritttempo die Hasenbergsteige hinauf. Allerdings war die Hasenbergsteige vor der Erfindung des Automobils ein beliebter Schlittenhang gewesen, weil sie eine Steigung hatte wie das Matterhorn. Leons normales Schritttempo war nicht matterhorngenormt.
    Ein Läufer kam uns entgegen. Er schien gerade Glückshormone auszuschütten, dass es nur so krachte, weil auf seinem Gesicht ein vollkommen idiotisches und glückseliges Lächeln lag. Wir bogen in den Blauen Weg ein und die Verschnaufpause war vorbei. Der Blaue Weg war theoretisch ein entspannter Spazierweg in Halbhöhenlage, umgeben von idyllischen Schrebergärten und mit einem wunderbaren Blick hinunter nach Heslach. Wenn man Augen dafür hatte. Leon hatte entweder keine Augen dafür oder war hier schon millionenmal gejoggt, denn er fiel wieder in lockeren Trab. Diesmal lief er aber nicht davon, sondern blieb neben mir, um mir Instruktionen zu geben. »Gaaanz ruhig durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen ... du musst deinen eigenen Rhythmus finden ... ja, gut so ...«
    Die kalte Luft drückte beim Einatmen schmerzhaft gegen meine Lungen. Ich lauschte Leons Instruktionen und versuchte gleichzeitig, nicht in allzu viele Pfützen zu patschen, weil es tatsächlich taute und der Schnee auf dem Weg sich in Matsch verwandelt hatte. Nach wenigen Minuten waren meine morschen alten Turnschuhe durchnässt und die Feuchtigkeit arbeitete sich durch die Strümpfe. Nach einer Zeit, die mir wie eine Ewigkeit vorkam, erreichten wir die Schranke am Ende des Asphaltwegs. Leon, der offensichtlich kein bisschen angestrengt war, sagte: »Ich laufe mal ein Stückchen vor und komme dann zurück. Dann kannst du in deinem eigenen Tempo laufen und fühlst dich nicht unter Druck gesetzt.«
    Ich nickte nur. Sprechen konnte ich nicht mehr. Mühelos nahm Leon hinter der Schranke die Anhöhe zum Wald und nach kurzer Zeit war er nicht mehr zu sehen. Ich blieb stehen, hielt mir die Seiten und atmete tief durch. Leon tauchte aus dem Nichts wieder auf und brüllte: »Nicht stehenbleiben, das ist total ungesund!«, drehte wieder ab und raste weiter. Ich setzte mich langsam wieder in Bewegung. Toll, dieses Lauftraining. Meine Lungen brannten, ich hatte pitschnasse Füße und würde mir den Tod holen und mein Lauftrainer war ein verdeckter Stasimitarbeiter, der mich keine Sekunde unbeobachtet ließ. Und das sollte gesund sein?
    Als Leon das nächste Mal auftauchte, keuchte ich: »Leon, ich habe ganz nasse Füße. Ich glaube, fürs erste Mal war das schon ganz gut. Ich gehe jetzt nach Hause. Lass dich nicht aufhalten, du kannst ja noch ein bisschen Halbmarathon laufen.«
    Leon schüttelte den Kopf. »Ach komm, Line, sei kein Spielverderber. Wir machen jetzt weiter, wir haben ja grade erst angefangen. Und wenn du ernsthaft joggen willst, solltest du in ein paar ordentliche Laufschuhe investieren.«
    Ich konnte mich nicht daran erinnern, jemals gesagt zu haben, dass ich ernsthaft joggen wollte. Leon jagte mich völlig unbeeindruckt von meinen Protesten und mit zunehmender Begeisterung (Endorphine?) noch eine Stunde durch den Wald. Er benutzte seine High-Tech-Armbanduhr

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