Laugenweckle zum Frühstück
meine Unterlagen fertig zu stellen. Leon hätte mir wahrscheinlich geraten, im Wald Endorphine zu produzieren. Ich tat keins von beidem. Heute brauchte ich etwas für mein zusammengeschnurzeltes Ego. Ich ging wieder zum Telefon.
»Hollister, PhotoART.« Mein Herz klopfte.
»Hallo Eric. Hier ist Line. Erinnerst du dich? Die Frau vor dem Arbeitsamt. Die mit dem Hähnchen.«
»O hello, Line, so nice to hear from you!« Er klang ehrlich erfreut. »Wie nett, dass du dir meldest. Wann kommst du mal vorbei und schaust meinen Foutous an?«
Das schien ja einfacher zu laufen als gedacht. Ich hatte mich auf umständlichen Smalltalk eingestellt, aber so waren richtige Männer eben! Und Fotos waren allemal spannender als Briefmarkensammlungen!
»Nun, ich hätte heute Nachmittag eigentlich einen wichtigen Termin gehabt, der hat sich aber kurzfristig zerschlagen. Aber ich will dich natürlich nicht vom Arbeiten abhalten.« Das war die reine Lüge. Aber mein Ego brauchte noch heute Aufbauhilfe, und den Scheich abends zu treffen, war mir zu riskant.
»Great, heute Nachmittag passt mir gut, dann komm doch so gegen vier vorbei, ich habe wunderbare Darjeeling von meine letzten Indien-Reise mitgebracht.«
»Gerne, dann also um vier. Ich weiß aber nicht so richtig, wo du wohnst.«
»Das ist auf der Uhlandshöhe. In the East. Du nimmst den 42er bis zur Schwarenbergstraße. Dann du gehst steil den Berg hoch. Angel’s airport. Engeleinflugschneise.«
»Engeleinflugschneise?«
»Weil hier so viel Anthroupousouphen wohnen. Ich bin übrigens keiner. Ich bin eine Weltbürger. Ein Berliner, Atheist, Buddhist, Kommunist, Hedonist. Such’s dir aus.«
»Äh ja. Interessant«, sagte ich. »Lass uns heute Nachmittag darüber reden.«
War ein Hedonist nicht jemand, der nichts wegwerfen konnte? Dann war Eric M. Hollisters Wohnung sicher ein Schlamperladen.
Eric wohnte gar nicht so weit weg von Lila. Vielleicht konnte ich anschließend noch bei ihr vorbeischauen, um gemeinsam die Friedenspfeife zu rauchen.
Vom Vormittag war nicht mehr allzu viel übrig. Ich bezog mein Bett frisch und ertappte mich bei heißen Gedanken an meinen Wüstenscheich. In meinem kalten Schlafzimmer würde er schnell abkühlen. Sollte es soweit kommen, musste das vorgeschaltete Rendezvous unbedingt bei ihm enden.
Da ich nicht mit knurrendem Magen bei Eric M. Hollister aufkreuzen wollte, beschloss ich, mal wieder Sudelnuppe zu kochen. Das war, neben Chili con carne, das zweite der insgesamt zwei Gerichte aus dem zweiseitigen Rezeptbuch
Lines liebste Leckereien
. Die ernährungstheoretische Idee war eigentlich, statt Salami oder Pizza zur Abwechslung etwas Gesundes, echte Vitamine, sprich: Gemüse zu essen, und damit es nicht so unangenehm gesund aussah, die Suppe mit Nudeln anzureichern. Dann konnte ich mir einbilden, Spaghetti zu essen. In der Praxis war es dann so, dass in der Sudelnuppe etwa so viel Gemüse war wie im Chili con carne sin carne Fleisch. Meistens fand ich in der hintersten Ecke des Kühlschranks ein verschrumpeltes Möhrchen und ein angeschimmeltes Zwiebelchen, das den Tortellini oder Spirelli oder Penne in der Gemüsebrühe verschämt Gesellschaft leistete. Ich hätte natürlich Tiefkühlgemüse verwenden können. Seltsamerweise pflegten Erbsen, Böhnchen und Brokkoli schon nach zwei Stunden in meinem 3-Sterne-Gefrierfach an Gefrierbrand zu leiden.
Während ich entspannt zusah, wie die Nudeln in der kochenden Brühe auf- und niederschwappten, hatte ich einen grandiosen Einfall. Sollte ich nicht aus der Arbeitslosigkeit heraus eine glänzende Karriere als Fernsehköchin starten? Ich meine, coole Tim Mälzers, gemütliche Vincent Klinks und joviale Johann Lafers gab es ja genug, aber welche Fernsehköchin hielt schon mit strahlendem Lächeln eine verschrumpelte Möhre in die Kamera, schnitt diese in Zeitlupe in urwaldriesengroße Scheiben und sich dabei in den Finger? Auch Jamie Oliver riss schließlich den Mozzarella mit den Händen auseinander – da konnte man doch live dabei sein, wie ich mir fröhlich ein Pflaster um den Finger wickelte? Reality-TV vom Feinsten! Eine Ermutigung für alle Kochnieten der Welt! Vielleicht gab es dafür vom Arbeitsamt sogar Existenzgründungshilfe? Geschäftsidee: Fernsehköchin. Obwohl. In Stuttgart gab es einfachere Wege, um prominent zu werden. Man musste nur seine Laugenbrezeln bei der Bäckerei Klinsmann in Botnang einkaufen, dann wurde man garantiert im Fernsehen gezeigt.
Allzu viel Wasser war noch nicht
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