Laugenweckle zum Frühstück
Eric schien nichts zu merken.
»Willst du noch mehr Foutous von meinen Reisen sehen?« Eric sah mich erwartungsvoll an.
»Aber klar!« sagte ich enthusiastisch und war froh, von meinem Body und den Hähnchenteilen in meinen Mundwinkeln wegzukommen.
In den nächsten drei Stunden zeigte mir Eric schätzungsweise 1937 Fotos aus Nepal, Thailand, Tasmanien, Kolumbien, Madagaskar, Tibet, Pakistan, Afghanistan, Algerien, den Äußeren und Inneren Hebriden, vom Kap der Guten Hoffnung, Kap Hoorn, Neuschwanstein, dem Titisee und dem Bärenschlösschen. Die Fotos waren allesamt sehr schön. Dazu erzählte Eric spannende Geschichten, die sich meist darum drehten, wie er in letzter Sekunde dem Tod wahlweise durch Erschießen/Aufhängen/Foltern/Verhungern/Ersäufen entronnen war, wobei der Anschlag auf sein Leben abwechselnd von den Taliban/al-Qaida/Roten Khmer/der CIA/einer schönen Doppelagentin verübt wurde und die Rettung in letzter Sekunde durch Scotland Yard/die CIA/eine schönen Doppelagentin/seine Mutter/ plötzlich auftretenden Naturkatastrophen wie Erdbeben/Flutwellen/Vulkanausbrüche erfolgte.
Es war wirklich sehr interessant. Ich hatte gar nicht gewusst, dass es so viele Todesarten gab. Aber nach einer Weile wurde ich müde. Mir fielen die Augen zu, was natürlich ausgesprochen unhöflich war, und ich hoffte nur, dass Eric es nicht merkte. Eric merkte es nicht. Ich machte ein kleines Nickerchen und musste zum Glück nicht schnarchen. Als ich wieder aufwachte, erzählte Eric gerade von einem Anschlag in Kambodscha zur Zeit Pol Pots. Ich hatte Hunger. Die schwimmenden chinesischen Kuchen waren außer Reichweite, weil ich ja in Erics Arm hing, und die Sudelnuppe war schon ziemlich lang her. Langsam hatte ich den Eindruck, dass Briefmarkensammlungen auch gewisse Vorteile hatten.
»Eric.« Ich bewegte mich ein bisschen. Eric musste doch schon längst der Arm eingeschlafen sein. »Entschuldige, aber ich müsste mal aufs Klo.«
»Of course, honeybunny. Die erste Tür rechts im Flur.«
Ich ließ mir Zeit. Vielleicht kapierte Eric es dann und bot mir statt weiteren Fotos etwas zu essen an. Draußen war es dunkel geworden.
Tatsächlich hatte Eric den PC weggepackt, als ich aus dem Klo kam, und ich atmete auf. Auf dem Teetischchen stand ein seltsames Gebilde mit einem tintenfischartigen Tentakel.
»Ich dachte, es reicht langsam mit Fotos, sweetheart. Lass uns ein bisschen Wasserpfeife rauchen. Die hat mir ein Beduine in Marokko geschenkt. Very relaxing.«
»Eric, ich rauche eigentlich nicht. Schon gar nicht Wasserpfeife.« Ein paar Joints während der Studienzeit, okay. Meist war mir dabei schlecht geworden.
»Probier’s doch einfach. Du wirst sehen, meine Nargile und du, ihr werden euch gut verstehen.«
Ich setzte mich neben ihn und er reichte mir den Schlauch. »Tief einatmen.« Ich inhalierte gehorsam. Mir wurde schwummrig und ich musste husten. Eric lachte. »Keine Sorge, das ist normal bei die erste Versuch. Probier’s nochmal.«
Ich inhalierte wieder und diesmal ging es besser. Wir rauchten abwechselnd. Eric sah mich an und lächelte unergründlich, so unergründlich, wie es nur ein Mann tun konnte, der dem Tod regelmäßig ins Auge geblickt hatte.
»Du hast sehr schöne Augen, sweetie-pie, weißt du das eigentlich?«, murmelte er. O ja, natürlich wusste ich das! Mir war so leicht zumute!
Auf meinem Knie lag plötzlich eine Hand. Eine Hand, die langsam höher krabbelte. Ich sah genauer hin. War es meine Hand? Nein, es war ganz eindeutig nicht meine Hand. Vor meinem Gesicht war plötzlich ein Gesicht. Es musste Erics Gesicht sein, und es kam in Zeitlupe näher. Aha. Eric wollte mich küssen. Ich wollte ihn auch küssen, aber irgendwie ging mir das zu lang. Es gab da jedoch diese unumstößlichen Dating-Regeln. Eine davon hieß:
Der Mann küsst zuerst
.
Und dann kam ich. Ich kam von einer Sekunde auf die andere und zwar so schnell, dass ich nicht mehr reagieren konnte, und ich kotzte Eric M. Hollister mitten in sein
pretty face
.
12. Kapitel |
Freitag
Shit happens
»Du hast
was
gemacht?«
»Eric M. Hollister genau in dem Moment, als er mich küssen wollte, ins Gesicht gekotzt.«
Es blieb einen Augenblick still in der Leitung. Ich wartete auf Lilas einfühlsamen, mitleidigen Kommentar.
Lila brüllte los vor Lachen. So laut, dass in meiner Wohnung die Wände wackelten, obwohl wir nur telefonierten.
»
Das ist nicht witzig!
«
Lila jaulte weiter. Okay, sie hatte noch was gut von gestern.
»Mir war
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