Laugenweckle zum Frühstück
zog ein Buch heraus.
»Lies das mal. Vielleicht bringt es dich auf andere Gedanken!«
Das Buch hieß
Der Prinz steht an der Käsetheke
. Während ich frühstückte, blätterte ich darin herum. Es war so ein Ratgeberbuch. Der Autor, ein erfolgreicher Paartherapeut, der seit vielen Jahren Single-Seminare hielt, stellte die faszinierende These auf, dass ein Single durchschnittlich 87 Flirtchancen täglich hatte, die er nicht nutzte. Die Wahrscheinlichkeit, so seine zentrale These, jemanden an der Käsetheke oder an der Bushaltestelle kennen zu lernen, sei viel höher, als bei einer Kontaktanzeige oder beim Speed Dating Erfolg zu haben, und obendrein viel billiger.
Der Autor gab einem gleich einen Haufen praxiserprobter Tipps, wie man seine Wahrnehmung umstellen und Signale aussenden sollte. »Stellen Sie Ihre Beziehungsantenne auf Empfang, bevor Sie das Haus verlassen! Ziehen Sie sich nett an, auch wenn Sie nur zum Bäcker gehen! Lächeln Sie stets, auch wenn Sie sich gerade mit Ihrem Chef gestritten haben! Überlegen Sie sich unverfängliche Gesprächseinstiege, die Sie jederzeit verwenden können, zum Beispiel: ›Haben Sie diesen Camembert schon einmal probiert?‹ oder ›Wissen Sie, wann der Bus kommt?‹«
Am wichtigsten sei es, mit Männern, die einen interessierten, eine Art parapsychologischen Kontakt aufzubauen und seine Energie zum anderen fließen zu lassen. »Alles Weitere geschieht dann von selbst – Sie werden sehen, dass die Energie zurückfließt, wenn es sich um einen geeigneten Partner handelt!«
Ich fand, das klang alles sehr einleuchtend, auch wenn das mit den parapsychologischen Botschaften weder bei Eric noch bei Leon geklappt hatte. Wahrscheinlich musste ich noch ein bisschen mehr üben. Am besten sofort. Eigentlich wollte ich in die Stadtbücherei, um endlich meinen Lebenslauf zu beschönigen, aber es war erst neun, und vor zehn machte die Bücherei sowieso nicht auf.
Ich zog mein nettes neues T-Shirt an, stellte meine Beziehungsantenne auf Empfang, obwohl ich eigentlich nicht so genau wusste, wie das ging, und marschierte zum Bäcker an der Ecke. Blöderweise war ich zunächst allein im Laden, so dass ich nicht üben konnte, also sagte ich zur Verkäuferin, die mich von meinem täglichen Laugenwecklekauf her kannte, ich müsste noch ein bisschen überlegen, obwohl ich ja erst eine halbe Stunde vorher dagewesen war und das Laugenbrötchen-, Seelen-und Brezelsortiment genau kannte. Die Verkäuferin warf mir einen schrägen Blick von der Seite zu und machte sich daran, Teiglinge in den Ofen zu schieben.
Prompt kam ein Kerl durch die Tür, der eigentlich ganz nett aussah, Mitte dreißig, mit Jeans und Dreitagebart und garantiert so Single, wie man es im Westen nur sein konnte. Hoffentlich war er nicht schwul. Mittlerweile musste ich aber wirklich etwas kaufen und sagte: »Einen Croissant, bitte.« Ich drehte mich zu dem Typen um, warf ihm ein umwerfendes Lächeln zu und sagte: »Haben Sie die Croissants hier schon mal probiert?« Der Typ guckte mich vollkommen entgeistert an und antwortete überhaupt nicht, was ich ziemlich unhöflich fand, ich hatte aber auch vergessen, den parapsychologischen Kontakt aufzubauen. Die Verkäuferin grinste dämlich. Ich nahm meine Tüte entgegen und versuchte, ihm Energie zu schicken, aber dann verlangte er acht Laugen, drei Brezeln und vier Croissants, und weil ich mich nicht wirklich in eine Familie mit drei kleinen Kindern drängen wollte, machte ich, dass ich aus dem Laden rauskam.
»Okay, Line, das war einfach der falsche Kandidat«, dachte ich, und weil das Wetter schön war, ging ich zu Fuß die Schwabstraße entlang bis zur U-Bahnhaltestelle Schwab-/Bebelstraße. Ich scannte ganz schnell den Bahnsteig stadtauswärts ab und suchte mir ein einigermaßen passables männliches Wesen aus. Es war ziemlich groß und trug eine schwarzumrandete Brille und sah genauso aus wie die Jungs aus meiner verstorbenen Werbeagentur. Ich schlenderte langsam in seine Richtung, machte dann unauffällig neben ihm Halt und baute mein Energiefeld auf. Ich schickte ihm so viel Energie, bis mir der Schweiß ausbrach, aber nichts geschah, der Typ guckte noch nicht mal in meine Richtung.
Also räusperte ich mich und sagte: »Wissen Sie zufällig, wann der Vierer kommt?« Er starrte mich an, als käme ich vom Mond, und anstelle einer Antwort deutete er stumm mit ausgestrecktem Daumen nach oben, er stand nämlich direkt unter der Leuchtanzeige auf der »U4 2 Minuten« stand.
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