Laugenweckle zum Frühstück
immer einen Mann gesucht, der die Oper liebt!«
»Sicher. Ich weiß nur nicht, was ich anziehen soll.«
»Also ich fürchte, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Mein Leibesumfang beträgt Größe 46/48 und ist vermutlich nicht kompatibel mit deiner Kleidergröße.«
»Ich habe aber kein Geld für eine schicke Klamotte.«
»Wie wär’s mit Second Hand? Gibt’s in der Rotebühlstraße nicht ein paar Läden, die gebrauchte Ausgehfummel verkaufen?«
Am nächsten Tag wollte ich eigentlich meine Bewerbungsunterlagen fertig stellen. Aber ein kleiner Ausflug in einen Second-Hand-Laden wäre sicher eine nette Abwechslung.
16. Kapitel |
Dienstag
Casta diva
Am nächsten Morgen schlief ich ein bisschen länger, weil die Klamottenläden sowieso erst um elf aufmachten und ich nicht riskieren wollte, in Jeans und Sweatshirt in der Königsloge zu sitzen. Zurück vom Bäcker sah ich, dass das Postwägelchen vor dem nächsten Haus stand. Ich öffnete meinen Briefkasten. Nicht, dass ich jemals Post bekam, es sei denn, ich schickte sie mir selber. Im Briefkasten lag ein Schreiben vom Arbeitsamt. Das verhieß nichts Gutes.
Ich ging aufs Klo, legte das Schreiben vor mich auf den Boden und überlegte, ob ich es erst morgen lesen sollte, um mir nicht die Oper zu versauen. Ich war dann aber doch zu neugierig, riss den Umschlag auf und überflog den Brief.
»Sehr geehrte Frau ... Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern ... Bewerbungstraining absolvieren ... Montag, 17. Februar ... in den Räumen der Agentur für Arbeit Stuttgart ... 8.30 Uhr unter Vorlage dieses Schreibens am Empfang ... unentschuldigt nicht teilnehmen ... Bezüge gekürzt ...«
Ich atmete auf. Bewerbungstraining, das konnte ja nicht schaden. Dann sah ich auf das Datum. Ich hatte ein bisschen den Überblick über die Tage verloren, so als Arbeitslose. Irgendwann drohte Dorles 80. Geburtstag, ansonsten bewegte ich mich im Datumsnirwana. Ich hatte auch keinen Kalender zu Hause. Ich nahm das Telefonbuch, um die Nummer für die Zeitansage herauszusuchen, aber anscheinend hatte die Telekom diesen Service abgeschafft. Dann rief ich die Pforte des Rathauses Stuttgart an. Da rief ich ziemlich oft an, weil die sehr hilfsbereit waren und sich noch echte Menschen für die Auskunft leisteten.
»Stadtverwaltung Stuttgart, Griiieß Gott!«
»Guten Tag, können Sie mir sagen, was heute für ein Tag ist?«
»Dienstag, 18. Februar.«
»Herzlichen Dank!«
»Gern geschehen. Auf Wiederhörn.«
Ich nahm das Schreiben wieder zur Hand.
Arrrgg!
Montag, 17. Februar, war gestern gewesen. Ich las noch einmal den entscheidenden Satz. »Die Teilnahme am Bewerbungstraining ›Die Welt umarmen – mit positiver Ausstrahlung zum neuen Job‹ ist verpflichtend. Sollten Sie unentschuldigt nicht teilnehmen, werden Ihnen automatisch die Bezüge gekürzt.«
Ich wählte die Telefonnummer, die auf dem Schreiben angegeben war, und geriet in eine Hotline, die mich fragte, ob ich mich für Arbeitslosigkeit, Arbeitssuche, Arbeitsvermittlung, Hartz IV, 1-Euro-Jobs auf Spargelfeldern, polnische Pflegekräfte oder das günstige Ökostromangebot der Bundesagentur für Arbeit interessierte. Nachdem ich mich zehn Minuten lang mit einem Sprachcomputer gestritten und dazwischen immer wieder der fröhlichen Melodie von
O du lieber Augustin
gelauscht hatte, wurde ich endlich mit einem Servicemitarbeiter verbunden und atmete auf. Sicherlich hatte er Verständnis für meine Lage.
»Guten Tag, hier ist Pipeline Praetorius. Also, ich habe folgendes Problem: Ich habe ein Schreiben von Ihnen bekommen und soll an einem Bewerbungstraining teilnehmen. Der Termin für das Bewerbungstraining war gestern, ich habe den Brief aber erst heute gekriegt!«
Die Antwort ließ auf sich warten. »Wie hoißed Sie?« Die Stimme erinnerte mich an einen griesgrämigen Nachbarn aus meiner Kindheit, der den Ball immer drei Tage weggesperrt hatte, wenn wir ihn versehentlich in seinen Garten gekickt hatten. Irgendwann fiel er einfach um und war tot.
»Pipeline Praetorius.«
»Also, i han Ihne beschdimmd nix gschickd! I kenn Sie ja gar net!«
»Nicht Sie persönlich. Das Arbeitsamt!«
»Also mir hoißed scho lang ›Agentur fir Arbeit‹!«
»Das ist doch völlig egal! Viel wichtiger ist doch, dass man mir das Geld kürzen will, obwohl ich gar nichs dafür kann, weil ich den Brief erst heute bekommen habe!«
»Ha, no isch hald Poschd schuld!«
»Die Post? Wieso die Post?«
»Ha wenn die ihre Brief so lahmelig austragad! Do
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