Laugenweckle zum Frühstück
Wusstest du das nicht?«
»Äh, doch, natürlich.«
»Weshalb ich eigentlich anrufe: Ich habe von eine einflussreiche Freund Opernkarten geschenkt bekommen. Catherine Naglestad, mein amerikanische Kollegin, singt morgen Abend in die Staatstheater die ›Norma‹. Hast du Lust, mitzukommen?«
Ob ich Lust hatte mitzukommen?
Ob ich Lust hatte mitzukommen?
Jetzt nur nicht zu euphorisch reagieren!
»Hmm, lass mich überlegen. Wo ist denn mein Terminkalender? ... morgen Abend ... morgen Abend ... wann war ich nochmal zur Vernissage eingeladen? ... morgen Abend, ja, das könnte passen.« Das war es, was ich, nachdem ich hinterher zwei Stunden darüber nachgedacht hatte, eigentlich hätte sagen wollen.
Stattdessen sagte ich etwas ganz anderes.
»Eric, das ist eine tolle Idee. Es ist sozusagen die beste Idee des neuen Jahrtausends, und ich fühle mich total geehrt, dass du mich mitnimmst!«
Nach dem Telefonat wusste ich nicht, ob ich den Kopf gegen die Wand rammen oder den Freudentanz der Hopi-Indianer aufführen sollte. Ich rannte alle fünf Stockwerke hinunter und kettete im Hinterhof mein Rad los. »Ho, Brauner!« Schwungvoll warf ich mich in meinen Fahrradsattel, um zur Stadtbücherei zu reiten.
In der Stadtbücherei ließ ich mir erst mal einen Becher Kaffee aus dem Automaten. Ich war zu aufgedreht und musste noch ein bisschen über das Telefonat nachdenken. Beim ersten Versuch kam leider nur der Kaffee heraus und der Becher glänzte durch Abwesenheit. Beim zweiten Mal klappte es dann.
Ich hatte mich ziemlich dämlich angestellt. Aber vielleicht mochte Eric ja meinen ehrlichen, natürlichen, halbschwäbischen Charme, der sich wohltuend vom affektierten Gehabe der amerikanischen Zicken abhob, mit denen er sich sonst zu umgeben pflegte. Und die Einladung in die Oper war ein Knaller! Ich würde an Erics gutaussehender Seite in meiner enganliegenden schwarzen Dior-Robe in die Königsloge schreiten und huldvoll in die Menge grüßen. O mein Gott. Ich hatte nichts anzuziehen!
Ich kämpfte gegen die aufsteigende Panik an und beschloss, das Problem am Abend mit Lila zu diskutieren und mich jetzt auf meine eigentliche Aufgabe zu konzentrieren.
Während ich die Lebenslaufliteratur auf einen Tisch räumte, fiel mir die Geschichte mit der Wasserpfeife ein. Eigentlich fand ich es ein bisschen unfair, dass Eric das Cannabis nicht vorher erwähnt hatte. Aber so waren Männer von Welt nun einmal.
Ich nahm meine Lebenslauf-Notizen zur Hand und schloss einen inneren Vertrag mit mir, um mich besser konzentrieren zu können. Das hatte mir Lila mal beigebracht. »Line, man muss mit sich selbst Kompromisse schließen können, anstatt sich zu überfordern.« Immer zur halben und zur vollen Stunde durfte ich fünf Minuten an Eric M. Hollister und das Opern-Date am nächsten Tag denken. Das schien mir ein fairer, ausgewogener Deal zu sein. Nachdem ich den Vertrag schriftlich fixiert und unterschrieben hatte, frisierte ich so gut es ging meinen Lebenslauf. Aus Urlaubsreisen machte ich »Studienreisen zu Forschungszwecken« und aus unbezahlten Praktika »befristete Urlaubsvertretungen mit anschließendem Festanstellungsangebot«. Der Lebenslauf sah nun schon viel interessanter aus und würde mich aus der Menge der durchschnittlichen Lebensläufe herausheben. Zur vollen und zur halben Stunde verlor ich mich in Tagträumereien, in denen Eric M. Hollister, ein riesiges Himmelbett und eine geheimnisvolle, üppige Schöne mit großen braunen Augen eine zentrale Rolle spielten.
Irgendwann tauchte die Tante mit der Hornbrille auf und hätte sich fast neben mich gesetzt, aber als sie mich erkannte, flüchtete sie an einen Tisch am anderen Ende des Lesesaals.
Auf dem Heimweg radelte ich bei der Post vorbei und besorgte braune Umschläge, Bewerbungsmappen und Briefmarken. Punkt 5, 6 und 7 erledigt, mit Eric versöhnt und Lebenslauf fast fertig – trotz gewisser Anlaufschwierigkeiten ein ausgesprochen erfolgreicher Tag.
»Eric hat angerufen.«
»Das ist doch toll!« Lila schien beschlossen zu haben, Eric doch noch eine Chance zu geben.
»Ich lande bei der Hitparade der Volltrottel mal wieder auf dem ersten Platz.«
»Warum?«
»Eigentlich wollte ich sagen: Eric, welcher Eric? Stattdessen habe ich mich ihm an den Hals geworfen, soweit das über das Telefon geht.«
»Und dann?«
»Hat er mich in die Ooooooper eingeladen!« Ich war so stolz auf Eric M. Hollister! Das Cannabis erwähnte ich nicht.
»Das ist doch was! Du hast doch schon
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