Laugenweckle zum Frühstück
darüber, eine weitere halbe Stunde für meinen Nuttenlippenstift und ich konnte los. Leider besaß ich keinen Wintermantel. Die dicke Daunenjacke hätte den ersten sexy Eindruck komplett zerstört. Ich zog meine Jeansjacke an. Die war natürlich viel zu dünn für einen eiskalten Februarabend, aber vom Hauptbahnhof bis zur Oper waren es ja nur ein paar Schritte, und wer schön sein wollte ...
Im dritten Stock begegneten mir Leon, Yvette und Frau Müller-Thurgau. Was für ein lustiges Zusammentreffen! »Hallo Leon. Yvette. Guten Abend, Frau Müller-Thurgau.« Leon murmelte irgendetwas Unverständliches. Frau Müller-Thurgau sagte: »Grieeß Gott, Frau Praetorius, mir missed nomol iber de Sperrmill schwätza« und Yvette sagte gar nichts und ließ ihr an den Ohren festgeklebtes Lächeln für sich sprechen.
Frau Müller-Thurgau sah mich mitleidig an, als wolle sie sagen, Pech ghabt, Mädle. Der hot a Scheenere gfonda. Leon hatte verlegen zur Seite geblickt, aber immerhin erst, nachdem sich seine Augen vor Überraschung und Bewunderung geweitet hatten. Offensichtlich kam er gerade mit Yvette vom Joggen. Yvette trug einen todschicken, enganliegenden Laufanzug und jede Pore ihres wohlgeformten Körpers schrie: »Endorphine, Endorphine!«. Ich war ein bisschen verletzt. Anscheinend spulte Leon mit allen Frauen das gleiche Programm ab. Mit dem Unterschied, dass Yvette vermutlich so gut trainiert war, dass sie mit Leon während des Joggens die Gästeliste für die Hochzeit durchgehen konnte, ohne in Atemnot zu geraten.
Ich fuhr mit der S-Bahn zum Hauptbahnhof und ging zum Großen Haus. Leider stand kein lässiger Eric am Eingang, und wenn ich draußen stehenblieb, holte ich mir den Tod. Ich ging ein bisschen im Foyer auf und ab. Von allen Seiten strömten festlich gekleidete Menschen herbei, die jahreszeitlich angemessene Wintermäntel trugen oder das eine oder andere Pelzjäckchen ausführten.
Als der Gong zum ersten Mal ertönte, kam Eric atemlos hereingestürzt und küsste mich rasch auf die Wange: »Sorry, honey, aber ich kommen direkt von eine Job! Hat länger gedauert als geplant!« Er trat einen Schritt zurück. »Wow. Du siehst verdammt sexy aus.«
Das war zwar die Reaktion, von der ich insgeheim geträumt hatte – im Gegensatz zu mir wirkte Eric jedoch, als sei er auf dem Weg zum Wasserloch einer Lodge im Krügerpark, um Elefanten zu fotografieren, und nicht, als ginge er in die Oper. Er trug die Safarijacke, die er damals vor dem Arbeitsamt angehabt hatte, Jeans, ein Stativ unter dem Arm und einen großen Rucksack auf dem Rücken. Aus seinem Zopf hatten sich Strähnen gelöst. Nur seine Augen schienen frisch umrandet.
»Sei nicht so spießig, Line«, dachte ich. »James Bond macht sich auch manchmal dreckig.« Im Casino oder im
Ritz
trug er aber in der Regel einen makellosen Smoking.
Der zweite Gong. Eric kramte zwei zerknitterte Karten aus seiner Brusttasche.
»Wir sitzen, glaube ich, im dritten Stock. Normalerweise sitzen ich natürlich im Erdgeschoss, aber du weißt schon, geschenkten Karten ...«
Erdgeschoss? Dritter Stock? Wahrscheinlich kannte Eric die deutschen Wörter nicht. Ich war ein bisschen enttäuscht. Im dritten Rang konnte man auch in Jeans aufkreuzen. Dafür hätte ich mir nicht unbedingt was Neues kaufen müssen.
Eric nahm meine Hand, lächelte mich an und die Enttäuschung über den dritten Rang verwandelte sich in einen Schmetterling, der hektisch in meinem Bauch hin- und herflatterte. Es fühlte sich gut an. Wir gingen über die große Treppe mit dem blauen Teppich hinauf zum ersten Rang und Eric sah sich suchend um.
»Eric, zum dritten Rang geht es hier hinauf, über die Seitentreppe. Wir sollten uns ein bisschen beeilen.«
Ich hastete über die teppichlose Treppe voraus und bemühte mich, ordentlich mit dem Hintern zu wackeln, ohne dass der Rock hoch rutschte, und endlich landeten wir im dritten Rang. Eigentlich musste ich noch aufs Klo, aber der Gong ertönte bereits zum dritten Mal und es war niemand mehr zu sehen. Rasch gaben wir unsere Jacken ab. Als Eric der Garderobenfrau Rucksack und Stativ reichen wollte, schüttelte sie den Kopf.
»Es tut mir Leid, das können wir nicht nehmen. Sie können es da hinten lassen«, sie streckte den Arm aus, »sehen Sie die Tür, das ist so eine Art Besenkammer, wo die Leute immer ihre Rucksäcke abstellen.«
»Da ist ein sehr teuer Foutouausrüstung drin«, protestierte Eric. Die Frau zuckte mit den Schultern.
»Keine Sorge. Wir sind
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