Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
helfen? Miss Mary und du, ihr seid verhindert, und Aurelius Morgenstern ist sterbenskrank. Wer bleibt da noch übrig?«
Percy antwortete nicht sofort, sondern lächelte nur still vor sich hin.
»Was ist denn mit Kastor und Nikodemus Dietrich?«, fiel Laura plötzlich ein. »Könnten die uns nicht helfen?«
Der Lehrer schüttelte den Kopf. »Auch das wird siisch leider niischt bewerkstelligen lassen«, erklärte er. »Einige ihrer Pferde 'at eine rätsel'afte Krank'eit 'eimgesucht. Sie 'aben alle 'ände voll zu tun.«
»Mist!«, schimpfte Laura enttäuscht, während sie den Rumpf beugte und mit den Fingerspitzen wechselseitig an die Kappen ihrer Turnschuhe tippte. »Dann können wir das glatt vergessen!«
»Aber, aber, Laura!«, tadelte Percy. »Wer wird denn beim kleinsten Problem gleisch aufgeben? Warte, bis die Turmglocke Mitternacht schlägt. Dann ge'st du zur großen Säule und reibst dreimal kreisförmiisch an i'rem Sockel.«
Laura richtete sich abrupt auf und schaute den Lehrer verständnislos an. »Was?«
»Wenn die Glocke Mitternacht schlägt, dann begebe diisch zur großen Säule und reibe dreimal kreisförmiisch an ihrem Sockel«, wiederholte Percy ruhig und wandte sich dann den anderen Schülern zu, die nun einer nach dem anderen eintrudelten.
Mr. Cool führte die Truppe der restlos erschöpften Turnschuhkrieger an. Er ließ sich japsend auf den Boden fallen. Hoppel und Franziska Turini beugten sich völlig ausgepumpt vornüber und stützten mit einem asthmatischen Keuchen die Arme auf die Knie, sodass Laura schon befürchtete, sie würden sich jeden Moment übergeben. Von Kaja und Max Stinkefurz war allerdings weit und breit keine Spur zu entdecken.
Percy Valiant blickte auf seine Stoppuhr und wandte sich dann an die Schüler. »Schade«, sagte er freundlich. »Noch ein biisschen langsamer, und der 'eutige Lauf 'ätte Eingang in das Guiness-Buch der Rekorde gefunden - als der langsamste Dauerlauf aller Zeiten! Aber iisch bin sisscher, beim nächsten Mal schafft i'r das ganz bestimmt.«
Der nahezu volle Mond stand bleich am wolkenlosen Nachthimmel über Ravenstein. Es war bitterkalt, und ein böiger Ostwind wirbelte lose Zweige und vertrocknete Blätter vor sich her. In der Burg war alles still, kein Licht brannte hinter den Fenstern.
Als der erste Schlag der Turmglocke durch die Stille dröhnte, kam an der Eingangspforte plötzlich Bewegung auf. Das Portal wurde einen Spaltbreit geöffnet, eine Gestalt, die in eine dicke Jacke gehüllt war und eine Dockmütze auf dem Kopf trug, zwängte sich ins Freie und huschte die Stufen hinunter. Am Sockel der großen Säule verharrte sie, drückte sich in den Schatten und wartete.
Es war Laura, die ungeduldig die Schläge der Turmuhr mitzählte. »Neun ... zehn ... elf... zwölf.« Endlich!
Sie hob den Kopf und warf einen Blick in das Gesicht des Säulenriesen. Doch der sah genauso aus wie immer. Hintergründig lächelnd starrte er in die Ferne, und nichts deutete daraufhin, dass sich das jemals ändern würde.
Wie Percy es ihr eingeschärft hatte, schaute Laura sich sorgfältig um. Es war niemand zu sehen. Durch die Ereignisse der letzten Tage vorsichtig geworden, warf sie noch einen zweiten Blick prüfend in die Runde - doch wieder konnte sie niemanden entdecken.
Gut, dachte sie. Sehr gut. Dann kann ich es also wagen.
Sie zog den Handschuh von der rechten Hand und legte die Handfläche an den steinernen Sockel der Säule. Er war eisig, und die plötzliche Kälte fuhr ihr derart heftig unter die Haut, dass sie jäh zurückzuckte und nach Luft schnappte.
Laura atmete tief durch und unternahm einen zweiten Versuch. Diesmal war sie vorgewarnt und der Kälteschock deshalb leichter zu ertragen. Trotzdem schlug das Herz in ihrer Brust heftig, und ihr Puls raste. Aber daran war weniger die Kälte als vielmehr die große Aufregung schuld, die Laura erfasst hatte. Erneut holte sie Luft und zwang sich zur Ruhe. Dann endlich wagte sie es und rieb dreimal mit der Hand kreisförmig über den Sockel.
Es tat sich überhaupt nichts. Aber dann war ein dumpfes Grollen und Knirschen zu hören. Die Säule begann zunächst kaum merklich, dann immer heftiger zu zittern. Erschrocken trat Laura zurück und starrte auf den steinernen Giganten, in den allmählich Leben zu kommen schien. Er ruckte und zuckte, und seine Glieder bewegten sich. Erst langsam, dann immer stärker. Der Riese ächzte, während seine Hände, die das Vordach stützten, den Griff lockerten und sich
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