Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
wirklich schade, wenn sie nicht weiter ausgebildet würde. Er hatte ihr angeboten, sie zu unterrichten - völlig kostenlos.
Laura hatte nicht lange nachdenken müssen und zugestimmt. Seitdem trainierte sie jede Woche drei Stunden mit Percy. Am Anfang war ihr das Training sehr hart vorgekommen. Nach manchen Stunden war sie so geschafft gewesen, dass sie manchmal kurz davor stand, einfach aufzugeben. Doch dann hatte sie immer an ihren Vater denken müssen. »Mit dem nötigen Willen kann man alles erreichen«, hatte der immer gesagt. »Nur wer aufgibt, hat schon verloren.«
Deshalb hatte Laura durchgehalten, und mittlerweile machte ihr das harte Training richtig Spaß. Sie freute sich jedes Mal auf die Fechtstunden mit dem jungen Lehrer.
Und nun war Percy immer noch nicht da.
Plötzlich hatte Laura das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie spürte die Blicke förmlich, die auf sie gerichtet waren. Sie hielt in den Dehnübungen inne, richtete sich auf und drehte sich um. Aufmerksam ließ sie die Augen durch die Halle schweifen. Doch da war niemand. Sosehr Laura sich auch anstrengte, sie konnte niemanden entdecken, auch in der unbeleuchteten Hälfte der Halle nicht. Ganz offensichtlich hatte sie sich getäuscht. Schulterzuckend nahm sie die Übungen wieder auf und konnte deshalb die dunkle Gestalt nicht sehen, die nun in der hintersten Ecke hinter einem Stapel Bodenmatten hervorlugte und Laura mit finsterem Blick musterte. Gleich darauf zog sich der heimliche Beobachter wieder hinter die Matten zurück, denn in der anderen Hallenhälfte wurde eine Tür geöffnet. Ein junger Mann trat ein.
Ein Lächeln erschien auf Lauras Gesicht, als sie Percy Valiant sah. Und auch Percy strahlte. Sein athletischer Körper steckte ebenfalls in einem Fechtanzug, die Fechtmaske hatte
er sich unter den Arm geklemmt.
Als er bei Laura angekommen war, deutete er eine leichte Verbeugung an. »Iisch entbiete dir meinen 'erzliischen Willkommensgruß, werte Laura«, sagte er in seiner ebenso merkwürdigen wie lustigen Sprechweise, »und trage dir aus tiefstem 'erzen die besten Wünsche zu deinem Wiegenfeste an!«
Laura musste lächeln. Percy Valiant kam aus Frankreich. Obwohl in Burgund geboren, hatten ihm seine Eltern den alten bretonischen Vornamen »Perceval« gegeben. Doch der war Verwandten und Freunden viel zu kompliziert, und so wurde er seit frühester Kindheit nur Percy genannt. Seine Deutschkenntnisse hatte er überwiegend durch die Lektüre seiner Lieblingsbücher - mittelalterliche Versromane und Ritterepen - vervollkommnet. Percy war nämlich ein glühender Mittelalter-Fan. Wenn er die Wahl gehabt hätte, in einer anderen Zeit zu leben als der heutigen, dann hätte er sich, ohne eine Sekunde nachzudenken, für die Zeit der Ritter, Minnesänger und holden Burgfräulein entschieden. Was natürlich auch die Wahl seiner Lektüre erklärte. Deren sprachliche Besonderheiten hatten unüberhörbar Spuren in seinem Deutsch hinterlassen, das durch den ausgeprägten französischen Akzent noch komischer klang. Percy wusste das natürlich, aber er machte keinerlei Anstalten, das zu ändern. Und das wäre auch schade gewesen, fand Laura. Es klang lustig, wie Percy sprach, und sie mochte es einfach.
Sie mochte eigentlich alles an Percy.
Laura lächelte ihren Sportlehrer an. »Danke, Monsieur Valiant«, sagte sie.
Wieder deutete der junge Mann eine Verbeugung an.
»Mögest du mir Niischtswürdigem meine Ungebührliischkeit verzeihen, dass iisch eine liebreizende Demoiselle wie diisch 'ab warten lassen!«
Laura musste grinsen. »Macht nichts«, sagte sie. »Schon okay!«
Dann wurde Percy ernst. »Wohl denn«, sagte er. »Der Worte sind genug gewechselt, jetzt will iisch endliisch Taten se'en, werte Laura.«
»Einen Moment!« Laura trat einen Schritt näher an ihn heran. »Was ist mit Professor Morgenstern?«
Percy runzelte die Stirn. »Lass die Sorgen niischt dein 'erz betrüben«, antwortete er dann leise. »Unser 'ochlöbliischer Professor wird schon bald wieder auf dem Pfade der Genesung wandeln!«
»Aber was hat er denn? Warum kann mir das niemand sagen?«
»Fasse diisch in Geduld, Laura!«, mahnte Percy. »Du wirst schon bald verste'en! Und jetzt los - die gleische Übung wie letztes Mal!«
Er streifte die halblangen Blondhaare aus der Stirn, setzte die Maske auf und ging mit dem Florett in der Hand vor Laura in Position. Auch Laura setzte ihre Maske auf und nahm ihre Waffe in die rechte Hand.
Sie war bereit.
»En garde!«, kam
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