Laura Leander 01 - Laura und das Geheimniss von Aventerra
als ihre scheuen Vettern, die empfindlichen Einhörner, die selten geworden und fast nur noch in den Feenwäldern anzutreffen waren. Dabei waren Zweihörner fast ebenso sanft und empfindsam wie sie. Sie witterten Gefahren meist schon weit im Voraus und konnten sie deshalb rechtzeitig umgehen. Aus diesem Grunde hatte sich Morwena für ein Zweihorn als Reittier entschieden, und Feenbraut hatte ihr Vertrauen noch niemals enttäuscht. Die Zweihörner kannten die uralten Pfade, die die Lande von Aventerra durchzogen und die Wissenden viel schneller an ihr Ziel zu bringen vermochten, viel besser als andere Geschöpfe. Schließlich waren die geheimen Pfade von den Feen angelegt worden, in deren Obhut sowohl Einhörner als auch Zweihörner die erste Zeit nach ihrer Geburt zu verbringen pflegten.
Die weißen Gipfel des Schneegebirges leuchteten im frühen Licht des Morgens und spiegelten den Glanz der Sonne, die am strahlend blauen Himmel stand. Der Wind, der vereinzelte Sturmwolken vor sich hin trieb, war eisig kalt. Er fuhr Morwena ins Gesicht, und trotz des dicken Umhangs, in den sie sich gehüllt hatte, konnte sie die eisige Kälte spüren, die in den unwirtlichen Gipfelregionen des Schneegebirges herrschte. Auch das wollene Tuch, das sie sich um den Kopf geschlungen hatte, vermochte sie kaum zu wärmen.
Doch es war nicht die Kälte, die Morwena Sorgen bereitete, sondern der Hüter des Lichts, der sich in großer Gefahr befand. Aber noch viel schlimmer war, dass sie Paravains Hoffnungen würde enttäuschen müssen. Ihr war klar, dass der Ritter ein Wunder von ihr erwartete. Aber trotz ihrer großen Heilkünste würde sie Elysion nicht heilen können. Sie konnte sein Leiden nur lindern und seinen Verfall so weit wie möglich hinauszögern. Aber dazu musste sie erst einmal auf Hellunyat sein!
Der Gedanke an die Finte, mit der man sie aus der Gralsburg fortgelockt hatte, erzürnte Morwena. Sie hatte nicht den geringsten Verdacht geschöpft, als der angebliche Bote ihres Vaters aufgetaucht war. Im Gegenteil, seine Botschaft war ihr ein höchst willkommener Anlass gewesen, um nach den langen Jahren der Abwesenheit endlich einmal in die Heimat zurückzukehren. Erst als ihr Vater sie erstaunt begrüßt hatte, war ihr aufgegangen, dass etwas nicht stimmen konnte. Kurz darauf war Pfeilschwinge am Himmel über Rumorrögk, dem Schloss ihres Vaters, aufgetaucht. Der mächtige Adler, der Bote des Lichts, hatte sie davon unterrichtet, was in ihrer Abwesenheit auf Hellunyat geschehen war. Natürlich war sie unverzüglich wieder aufgebrochen. Das Angebot ihres Vaters, ihr einige Reiter zum Schutz mitzugeben, hatte sie abgelehnt. Eine größere Gruppe kam langsamer voran und erregte nur Aufmerksamkeit. Außerdem konnten nur Zweihörner den geheimen Pfaden folgen.
Endlich hatte Morwena die Passhöhe erreicht. Sie ließ das Zweihorn verschnaufen und warf einen Blick in das Tal, in dem sich die grünen Weiten des Auenlandes vor ihr erstreckten. Die Heilerin seufzte. Der Weg nach Hellunyat war noch endlos weit. Sie musste nicht nur das Auenland durchqueren und den reißenden Donnerfluss überwinden. Danach wartete die schreckliche Glimmerwüste auf sie, der wohl gefährlichste Abschnitt der Reise. Und schließlich galt es auch noch heil durch die Dusterklamm zu gelangen.
Eine weite und gefährliche Reise. Wenn niemand sie aufzuhalten versuchte, würde sie mindeste n s vier Tage brauchen. Aber dann konnte es vielleicht schon zu spät sein für Elysion. Morwenas einzige Hoff n ung war, dass die neue Brücke über den Donnerfluss, deren Bau sie auf ihrer Hinreise voller Freude beobachtet hatte, bereits fertig gestellt war. Sie bedeutete eine enorme Abkürzung und würde ihr bestimmt einen Tag ersparen.
Ein Tag, der lebenswichtig sein konnte für den Hüter des Lichts. Entschlossen gab Morwena dem Zweihorn die Sporen und strebte dem Auenlande zu.
6
Ein heimlicher Beobachter
er Vormittag verlief für Laura ohne besondere Vorkommnisse. Im Unterricht gab es den gleichen Stress wie immer. Acht Mädchen und sieben Jungen besuchten Lauras Klasse, und die meisten gratulierten ihr zum Geburtstag. Selbst der fette Max Stinkefurz, der sonst nur mit ihr herumstänkerte und ihr unentwegt auf die Nerven ging, ließ sich zu einem lauen Glückwunsch hinreißen.
Natürlich hieß Max nicht Stinkefurz, sondern Maximilian Finkensturz. Seine üble Angewohnheit, immer und überall ekelige Gerüche zu verbreiten, hatte dem unförmigen Fleischkloß
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