Laura Leander 02 - Laura und das Siegel der Sieben Monde
Gesicht des Steinernen Riesen. »Der Löwe bleibt ein braves Tier, krault hinterm linken Ohr ihn Ihr; und wenn dann sanft ein Ziel Ihr nennt, bringt er Euch hin, bevor Ihr brennt!«, raunte Reimund Portak dem Mädchen noch hastig zu, bevor er sich an die sphinxhaften Tiere wandte.
Diese hatte offensichtlich Ungeduld gepackt. Unruhig reckten sie die Vorderläufe, flatterten mit den Flügeln und peitschten mit den langen Schwänzen die flirrende Luft, während ihr Brüllen ein weiteres Mal durch den Burghof grollte. Endlich erteilte der Gigant aus Stein den Befehl zum Aufbruch: »Ihr mut’gen Löwen, macht geschwind, schwingt euch empor in Luft und Wind; tragt uns’re Freunde von hier fort, schnell, schnell an einen sich’ren Ort!«
Im selben Moment sprangen die Fabelwesen von der Treppe ab und schwangen sich in die Luft. Mit kräftigen Schlägen ihrer Schwingen schraubten sie sich mühelos in den Himmel. Die Last auf dem Rücken schienen sie nicht zu spüren. Während Portak zum Abschied winkte, stiegen die geflügelten Löwen höher und höher in die Dunkelheit.
Als Laura in die Tiefe blickte, sah sie, dass die Geisterritter auf dem rot erleuchteten Burghof kleiner und kleiner wurden. Wie erstarrt standen die Rüstungen inmitten der lodernden Flammen, und fast schien es, als schauten sie den davonschwebenden Wächtern nach. Reimar und seine Ritter hatten die Köpfe in die Nacken gelegt. Nur Syrin schien noch nicht aufgeben zu wollen. Die Schwarzmagierin hob die Arme zum Himmel – ein Feuerstrahl zuckte aus ihrer Hand und schoss direkt auf Lauras Löwen zu!
Vorsicht!, wollte das Mädchen gerade rufen, aber da hörte sie, wie ihr Flugtier dem anderen zubrüllte: »Nach links!«
»Nein, nach rechts!«, grollte es durch den Wind, während der gleißende Feuerblitz um Haaresbreite an Laura vorbeizischte. Ihr Löwe ließ ein wütendes Brüllen hören und flog eine jähe Linkskurve. Die Richtungsänderung war so heftig, dass Laura von seinem Rücken gefallen wäre, hätte sie sich nicht im letzten Augenblick noch an der zotteligen Mähne festgehalten.
Der zweite Löwe änderte ebenfalls überraschend die Richtung, sodass auch der nächste Feuerstrahl das Ziel verfehlte. Percys Reittier war nach rechts abgedreht, und die beiden Löwen entfernten sich nun schnell voneinander, wie Laura bestürzt feststellte. Sie beugte sich vor und rief dem geflügelten Wesen aufgeregt ins Ohr: »Nicht doch, wir müssen zusammenbleiben!«
»Kein Grund zur Panik, M adame!« Obwohl erneut ein Blitz auf sie zuzuckte, sprach das mächtige Tier mit bedachten Worten und mit ausgesuchter Höflichkeit. »Latus und ich wissen sehr wohl, was wir tun – auch wenn wir uns nicht immer einigen können, was der rechte Weg sein mag!«
Latus? Das war wohl der Name des Fabeltieres, auf dem Percy saß. Und wie hieß ihres?
Gerade wollte Laura sich danach erkundigen, als ihr Flugtier die Schwingen anlegte und fast kopfüber in die Tiefe schoss. Laura schrie verängstigt auf und krallte sich mit ganzer Kraft an der Mähne fest, während der Löwe, einem Sturzflieger gleich, mit rasender Geschwindigkeit auf die Spitze des großen Burgturmes zuhielt. Latus folgte seinem Kumpan, und Laura begriff, was die beiden vorhatten: Sie jagten geradewegs auf Syrin zu, die mit Hilfe ihrer teuflischen Künste die Wächter an der Flucht zu hindern versuchte.
Der Anblick der wie Geschosse auf sie zurasenden Löwen war offensichtlicht selbst für die Schwarzmagierin zu viel. Syrin ergriff die Flucht und rettete sich ins Innere des Turmes.
Die Fabeltiere ließen ein lautes Triumphgebrüll durch die Nacht erschallen. Dann breiteten sie die Schwingen weit aus und stellten sie an, um den Sturzflug abzubremsen. In einer eleganten Kurve zogen sie über den Bergfried hinweg, schwebten Seite an Seite davon und entschwanden den Blicken der Raubritter, die immer noch wie gelähmt auf der Freitreppe standen.
Die Geisterrüstungen dagegen waren mit Syrins Verschwinden augenblicklich in sich zusammengefallen. Kreuz und quer lagen sie im Burghof verstreut. Die Pechflammen um sie herum loderten nur noch zaghaft. Portak hatte wieder seine Säulengestalt angenommen. Wie eh und je stützte er das Vordach und schaute mit sanftem Lächeln in die Ferne, als habe sich in den letzten Stunden nicht das Geringste ereignet.
Laura fühlte sich unendlich erleichtert. Jubelnd warf sie die Arme in die Höhe. »Juhu! Wir haben’s geschafft!«
Der Wind wehte ihr um die Nase, das Rauschen der
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